Lettland

Europäische Kommission: Sendeverbot für Rossiya RTR in Lettland mit AVMD-Richtlinie vereinbar

IRIS 2021-7:1/26

Ronan Ó Fathaigh

Institut für Informationsrecht (IViR)

Am 7. Mai 2021 hat die Europäische Kommission einen wichtigen Beschluss im Zusammenhang mit der audiovisuellen Mediendienst-Richtlinie veröffentlicht. Die Kommission bestätigte, dass die Entscheidung der lettischen Medienaufsichtsbehörde, die Ausstrahlung des russischen Fernsehsenders Rossiya RTR in Lettland wegen der Aufstachelung zu Gewalt oder Hass für zwölf Monate zu verbieten, keinen Verstoß gegen die Audiovisuelle Mediendienst-Richtlinie (AVMD-Richtlinie) darstellt. Damit schloss sich die Kommission einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union von 2019 zur Einschränkung der Übertragung von Sendungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten wegen Aufstachelung zu Hass ((IRIS 2019-8/3) und früheren Beschlüssen der Europäischen Kommission zu diesem Thema an (siehe IRIS 2018-7/7 und IRIS 2017-6/5).

Bei dem Fall ging es um Rossiya RTR, einen russischsprachigen Fernsehsender, der von Schweden aus von der “Federal State Unitary Enterprise - The Russian Television and Radio Broadcasting Company" in die baltischen Staaten übertragen wird. Artikel 3 Absatz 1 der AVMD-Richtlinie legt fest, dass die Mitgliedstaaten die Weiterverbreitung von audiovisuellen Mediendiensten aus anderen Mitgliedstaaten "aus Gründen, die Bereiche betreffen, die durch diese Richtlinie koordiniert sind", in ihrem Hoheitsgebiet nicht behindern dürfen. Es gibt jedoch Ausnahmen, wie zum Beispiel die Aufstachelung zu Gewalt oder Hass, die in Artikel 6 der AVMD-Richtlinie genannt wird. Ein Mitgliedstaat kann vorübergehend von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie abweichen, wenn (a) ein audiovisueller Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter erbracht wird, der der Rechtshoheit eines anderen Mitgliedstaats unterworfen ist, in "offensichtlicher, ernster und schwerwiegender Weise" gegen Artikel 6 der Richtlinie verstößt; (b) der Sender in den vorangegangenen 12 Monaten "bereits mindestens zweimal" gegen dieses Verbot verstoßen hat; und (c) der betreffende Mitgliedstaat die Europäische Kommission über die Maßnahmen unterrichtet hat, die er zu ergreifen beabsichtigt. Die Kommission muss anschließend prüfen, ob die Maßnahme mit Unionsrecht vereinbar ist. Die lettische Medienaufsichtsbehörde hatte bereits 2020 und Anfang 2021 die Europäische Kommission und die schwedischen Behörden über mehrere Verstöße gegen Artikel 6 der AVMD-Richtlinie in den Fernsehprogrammen von Rossiya RTR unterrichtet und angekündigt, dass sie vorübergehend die Ausstrahlung der Fernsehprogramme von Rossiya RTR in Lettland sperren wolle. Am 8. Februar 2021 beschloss die Medienaufsichtsbehörde, die Ausstrahlung des Senders für 12 Monate zu verbieten. Die Behörde stellte fest, dass die von dem Rundfunkveranstalter ausgestrahlten Inhalte "in mehreren Fällen" eine Aufstachelung zu Gewalt oder Hass darstellten, "insbesondere gegen Ukrainer gerichtete Aussagen in Bezug auf militärische Zerstörung" , einschließlich "Militäraktionen gegen Lettland und andere Mitgliedstaaten (darunter Estland, Deutschland, Litauen und Schweden)."

Die Europäische Kommission prüfte die Entscheidung des lettischen Medienrats und kam zu dem Schluss, dass sie mit Unionsrecht vereinbar war. Die Kommission ist der Auffassung, dass die Aussagen in den Programmen des russischsprachigen Senders als Aufstachelung zu Gewalt oder Hass gewertet werden können, da die Aussagen "eindeutig so formuliert" sind, dass sie zum einen als Handlung zu betrachten sind, die dazu dient, "ein bestimmtes Verhalten zu steuern", und zum anderen als Aussagen, die ein "feindliches oder ablehnendes Gefühl gegenüber einer Gesamtheit von Personen hervorrufen". Die Tatsache, dass diese Äußerungen in politischen Talkshows oder in Live-Sendungen vorgebracht wurden, änderte nach Auffassung der Europäischen Kommission "nichts an ihrer Einstufung", angesichts "des extremen und von Hass geprägten Charakters" der Äußerungen. Außerdem habe der Rundfunkveranstalter "keine Hinweise" darauf geliefert, dass die Moderatoren der betreffenden Sendungen die umstrittenen Aussagen "korrigiert oder sich von ihnen distanziert haben". Da sich die Aussagen, die im Rahmen der fraglichen Sendungen gemacht wurden, zum Teil auf aktuelle und frühere Konflikte unter Beteiligung Russlands beziehen und sie "Androhungen einer Besetzung oder Vernichtung anderer Staaten, einschließlich Lettlands" enthalten, und da in Lettland "eine beträchtliche russischsprachige Minderheit" lebt, welche "die Zielgruppe von Rossiya RTR in Lettland zu sein scheint," und es somit "in Lettland angesichts seiner Vergangenheit als ehemalige Teilrepublik der Sowjetunion zu Spannungen kommen könnte", stellen die betreffenden Fernsehsendungen einen "offensichtlichen, ernsten und schwerwiegenden Verstoß" gegen Artikel 6 der Richtlinie 2010/13/EU dar. Die Sanktionen - eine zwölfmonatige Sperrung des Senders - waren daher nach Auffassung der Kommission offensichtlich nicht unverhältnismäßig.

 

 

 


Referenzen



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Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.