Schweiz

[CH] Investitionspflichten für audiovisuelle Dienste treten in der Schweiz in Kraft

IRIS 2023-8:1/5

Matthias Bürcher

Bundesamt für Kultur

2021 verabschiedete das Schweizer Parlament eine Revision des Filmgesetzes, mit der Quoten- und Investitionspflichten für lineare und nicht-lineare audiovisuelle Dienste eingeführt wurden [siehe IRIS 2021-9:1/3 ]. Das Gesetz wurde zur Volksabstimmung gestellt und am 15. Mai 2022 mit 58 % Zustimmung angenommen. Am 6. September 2023 verabschiedete der Bundesrat die Verordnung über die Quote für europäische Filme und Investitionen in das Schweizer Filmschaffen (FQIV), die am 1. Januar 2024 in Kraft treten wird.

 

Die Verordnung setzt das Gesetz um und definiert die Bedingungen für die Erfüllung der Investitionspflicht. Audiovisuelle Dienste müssen 4 % ihrer Bruttoeinnahmen in das nationale unabhängige Filmschaffen investieren. Das Investitionsvolumen wird auf CHF 18 Millionen pro Jahr geschätzt.

Die maßgeblichen Bruttoeinnahmen werden auf der Grundlage der Mehrwertsteuererklärung des Unternehmens berechnet, was für die meisten Unternehmen eine „schlanke“ Berichterstattung bedeutet (Art. 19). Es gibt einen Sonderfall: Wenn das Unternehmen nachweisen kann, dass der größte Teil seiner Einnahmen aus anderen Tätigkeiten stammt, zum Beispiel aus dem Verkauf von Computern oder Staubsaugern, werden die Bruttoeinnahmen ausschließlich auf der Grundlage der Einnahmen aus Dienstleistungen berechnet, die Verkauf, Vermietung, Abonnements, Werbung und Datennutzung umfassen (Art. 20). Unternehmen, die wirtschaftlich miteinander verbunden sind, zum Beispiel in einer Holdingstruktur, können zudem eine Zusammenrechnung ihrer Investitionen beantragen (Art. 21).

Unternehmen, die audiovisuelle Dienste anbieten, haben mehrere Möglichkeiten, in Filme zu investieren: Sie können Lizenzen für unabhängig produzierte Filme erwerben, sie können Auftragsfilme finanzieren und sie können in die Koproduktion unabhängig produzierter Filme investieren (Art. 12-14). Unter bestimmten Bedingungen können sie auch in die Bewerbung investieren, Vergütungen an Verwertungsgesellschaften zahlen und regionale Filmförderinstitutionen unterstützen (Art. 15-17).

Investitionen sind nur dann anrechenbar, wenn der Partner ein unabhängiger Produzent ist. Die Unabhängigkeit ist definiert durch die Eigentumsverhältnisse, den Einfluss und die wirtschaftlichen Verbindungen zu Unternehmen, die der Investitionspflicht unterliegen. Bei Auftragsfilmen darf nicht mehr als die Hälfte aller von der Produktionsfirma in den letzten fünf Jahren produzierten Filme Auftragsfilme der investierenden Firma selbst sein. Im Falle des Ankaufs kann der unabhängige Dritte ein anderer Rechteinhaber als die Produktionsgesellschaft sein, zum Beispiel ein Vertriebsunternehmen (Art. 9).

Darüber hinaus wird in der Verordnung der Begriff des unabhängig produzierten Films eingeführt, der spezifischer ist als der des unabhängigen Produzenten. Ein unabhängig produzierter Film muss auf Initiative und unter der wirtschaftlichen und künstlerischen Verantwortung eines unabhängigen Produzenten realisiert werden, und der Produzent muss Rechte behalten, die außerhalb des koproduzierenden audiovisuellen Dienstes verwertet werden können (Art. 13). Es wird in dieser Verordnung zwar nicht erwähnt, die implizite Folge dieser Regel ist jedoch, dass nur unabhängig produzierte Filme Zugang zu Förderprogrammen des Bundes haben werden. Ein Dienst kann in Auftragsfilme investieren, allerdings ohne öffentliche Förderung.

Ankauf ist auf den Eigengebrauch des Dienstes beschränkt und die Lizenz auf fünf Jahre befristet. Die im Zuge einer Koproduktion gewährten Rechte sind auf sieben Jahre begrenzt. In beiden Fällen können Verlängerungsoptionen bis zu 15 Jahren vereinbart werden. Im Falle eines Auftragsfilms ist die Lizenz zeitlich und örtlich unbegrenzt (Art. 15-17).

Zu den anrechenbaren Werken gehören Spielfilme, Dokumentarfilme und Animationsfilme oder -serien jeglicher Länge. Werke aus anderen Genres können anrechenbar sein, wenn sie narrativ strukturiert oder kreativ gestaltet sind. Ausgeschlossen sind jedoch Nachrichten, Veranstaltungen, Shows, Spiele, Live-Übertragungen und einfache Veranstaltungsaufzeichnungen sowie Imagefilme (Art. 2). Anrechenbare Filme müssen entweder Schweizer Filme (Ursprungszeugnis) oder offizielle Koproduktionen sein. Diese Bedingung stellt derzeit eine Herausforderung für Serien dar, da Koproduktionsabkommen für audiovisuelle Werke lediglich zwischen der Schweiz und Kanada, Mexiko und der Französischen Gemeinschaft Belgiens bestehen. Darüber hinaus erfüllen Auftragsfilme möglicherweise nicht die formalen Anforderungen für Schweizer Filme, da die ausführenden Produzenten nicht die Rechteinhaber sind und es sich um keinen Schweizer Dienst handelt. In diesem Fall kann das Bundesamt für Kultur BAK eine Bestätigung der Schweizer Herkunft als Auftragsfilm ausstellen, wenn die übrigen Voraussetzungen der künstlerischen und technischen Beteiligung von Schweizer Kräften erfüllt sind (Art. 8).

Mit der Zertifizierung der Filme, in die investiert wird, wird die Anrechenbarkeit für alle Beteiligten frühzeitig geklärt. Die „schlanke“ Jahresberichterstattung audiovisueller Dienste besteht daher aus der Mehrwertsteuererklärung sowie einer Liste der Investitionen, ergänzt durch Zahlungsnachweise und Zertifikate (Art. 25). Auf der Grundlage der Berichte legt das BAK jedes Jahr die Investitionspflicht und die anrechenbaren Investitionen fest. Für fehlende Investitionen wird alle vier Jahre wird eine Ersatzabgabe erhoben (Art. 28-29).

Alle Unternehmen, die audiovisuelle Dienste erbringen und Filme anbieten, müssen sich bis zum 31. März 2024 registrieren. Dem BAK wird im Herbst 2024 ein erster Überblick über das Investitionsvolumen vorliegen; im Herbst 2025 wird es eine erste Analyse der Investitionen vornehmen.


Referenzen


Verknüpfte Artikel

IRIS 2021-9:1/3 [CH] Die Schweiz verabschiedet neue Verpflichtungen für audiovisuelle Dienste

Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.