Deutschland
[DE] OLG Frankfurt: RT DE darf ehemaligem Mitarbeiter nicht Buchveröffentlichung über die Arbeitsweise des Senders untersagen
IRIS 2022-7:1/21
Christina Etteldorf
Institut für Europäisches Medienrecht
Mit Urteilen vom 19. Mai 2022 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) zwei im Eilverfahren verfolgte Begehren der Veranstalterin der deutschen Sprachversion des russischen TV-Senders RT (RT DE) zurückgewiesen, die auf das Verbot der Veröffentlichung eines „Enthüllungsbuches“ (in Erst- und Zweitauflage) eines ehemaligen Mitarbeiters von RT DE gerichtet waren. Der Autor setzt sich in dem Buch insbesondere mit einer möglichen Involvierung des Senders in verdeckte Ermittlungen der russischen Regierung in Bezug auf den Regimekritiker Alexej Nawalny auseinander und schildert kritisch die Arbeitsweise von RT DE aus Mitarbeiterperspektive. Das darf er vor dem Hintergrund der Meinungs- und Informationsfreiheit auch in dem beabsichtigten Umfang – so das OLG Frankfurt.
Der Antragsgegner hatte von 2018 bis 2020 zunächst als freier Mitarbeiter und dann als angestellter Reporter für RT DE in journalistischer Funktion gearbeitet. Im Frühjahr 2021 veröffentlichte er im Internet ein Buch, in dem er sich kritisch mit der Arbeit, der politischen Ausrichtung und einzelnen journalistischen Aktivitäten des Senders sowie einzelner Mitarbeiter auseinandersetzte. Unter anderem schilderte er darin auch einen „Spezialauftrag“, den er anlässlich der medizinischen Behandlung des Regimekritikers Nawalny in der Berliner Charité nach dem missglückten Giftanschlag auf diesen vom Sender erhalten habe. RT DE wollte nunmehr die Veröffentlichung des gesamten Buches in der Erst- sowie in der Zweitauflage, zumindest aber einzelner Äußerungen, Abbildungen und Ablichtungen sogenannter Chat-Verläufe von Mitarbeitern verbieten und berief sich dabei auf eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts. Das in der Sache im Eilverfahren zunächst angerufene Landgericht Frankfurt am Main untersagte dem ehemaligen Mitarbeiter daraufhin zwar, einzelne Äußerungen zu wiederholen, bei denen es sich ausweislich der Feststellungen des Gerichts um nicht erwiesene Tatsachenbehauptungen gehandelt habe. Für den Großteil der Äußerungen, die Abbildungen oder gar für das gesamte Buch kam dagegen, so das Landgericht, ein Verbot nicht in Betracht, da es sich hierbei um wertende Meinungsäußerungen des Autors gehandelt habe, die von der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit gedeckt gewesen seien. Dem schloss sich nun auch das OLG Frankfurt in der Rechtsmittelinstanz an. Neben arbeitsvertraglichen und urheberrechtlichen (ebenfalls für RT DE erfolglosen) Erwägungen, führte das OLG zur Abweisung des verfolgten Verbots der Veröffentlichung des gesamten Buchs und noch anhängiger Verfahren zu 63 Einzelaussagen vor allem das erhebliche Interesse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung an: Für die deutsche Öffentlichkeit sei es von gesteigerter Bedeutung zu erfahren, dass ein deutsches Medienunternehmen mit engen Konzernverbindungen nach Russland möglicherweise an verdeckten Ermittlungen in Bezug auf russische Regimekritiker involviert sei. Zwar sei mit der Berichterstattung und auch der Kritik an der Unternehmensorganisation möglicherweise ein Eingriff in Persönlichkeitsrechte auf Seiten des Senders verbunden. Dieser sei aber vor dem Hintergrund einer notwendigen Abwägung mit der überwiegenden Meinungsfreiheit des Autors und Informationsfreiheit der Allgemeinheit gerechtfertigt. Selbst wenn starke Kritik etwa an der fehlenden Sachkompetenz der Mitarbeiter des Senders oder an deren politischer Nähe zu rechts- oder linksextremistischen Gruppen im In- und Ausland oder sog. „Corona-Leugnern“ geübt werde, müsse das der Sender als zulässige Ausübung der Meinungsfreiheit im Gesamtzusammenhang hinnehmen. Auch ein vorrangiges Geheimhaltungsinteresse verwarf das OLG Frankfurt: ein solches bestehe nicht für den Sender, wenn der ehemalige Mitarbeiter seinen Eindruck aus seiner eigenen persönlichen Erfahrung wiedergibt, im Fall Nawalny an Ausforschungen für den russischen Staat beteiligt worden zu sein.
Referenzen
- Pressemitteilung Nr. 41/2022 des OLG Frankfurt
- https://ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de/pressemitteilungen/deutschsprachiges-tochterunternehmen-eines-russischen-medienkonzerns-kann
Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.