Schweiz
[CH] Parlament beschliesst geräteunabhängige Radio- und Fernsehabgabe
IRIS 2014-10:1/6
Franz Zeller
Bundesamt für Justiz, BJ
Am 26. September 2014 hat das schweizerische Parlament die Einführung einer neuen Radio- und Fernsehabgabe beschlossen, welche alle Haushalte und Unternehmen unabhängig von der Existenz eines Empfangsgeräts schulden. Die Regierung (Bundesrat) hatte dies in ihrer Ankündigung vom Mai 2013 vorgeschlagen und mit dem technologischen Wandel begründet, der z.B. den Programmempfang über Mobiltelefone ermöglicht. Die beiden Parlamentskammern stimmten dem Systemwechsel zu (der Nationalrat mit 109:85 Stimmen bei 4 Enthaltungen und der Ständerat mit 28:14 Stimmen bei 3 Enthaltungen).
Die Einführung der neuen Abgabe ist damit noch nicht gesichert: Es zeichnet sich ab, dass die vom Parlament beschlossene Änderung des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG) noch der schweizerischen Bevölkerung zum Entscheid vorgelegt wird. Der Schweizerische Gewerbeverband hat das Referendum gegen die Vorlage ergriffen. Eine Volksabstimmung wird nötig, wenn bis zum Ablauf der Referendumsfrist (15. Januar 2015) die verlangten 50.000 Unterschriften gesammelt werden. Der Gewerbeverband wehrt sich dagegen, dass alle Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens CHF 500.000 eine Abgabe bezahlen müssen.
Ähnlich dem 2013 in Deutschland eingeführten Modell eines Rundfunkbeitrags sieht das vom Parlament beschlossene System zudem vor, dass sämtliche Privathaushalte abgabepflichtig sind. Während einer Übergangsfrist von fünf Jahren soll für die Privathaushalte allerdings eine Opting-Out-Regelung gelten: Auf Gesuch hin werden sie in einer ersten Phase nach dem Systemwechsel von der Abgabe befreit, falls im Haushalt kein zum Empfang von Radio- oder Fernsehprogrammen geeignetes Gerät vorhanden ist. Gegen den neuen Art. 109c RTVG hatte sich ursprünglich die kleine Kammer des Parlaments (Ständerat) gewehrt, welche die Rundfunkabgabe im Juni ohne eine solche Übergangsregelung einführen wollte (IRIS 2014-8/14). Da der Nationalrat auf dem befristeten Opting-out beharrte, lenkte die kleine Kammer im September ein.
Die Erhebung der Haushaltabgabe soll durch eine vom Staat nach einer öffentlichen Ausschreibung ausgewählte private Organisation erfolgen (Erhebungsstelle ist bisher die Billag AG). Die Unternehmensabgabe hingegen soll die Eidgenössische Steuerverwaltung einziehen, welche sich auf die Daten aus der Mehrwertsteuer stützen kann.
Unveränderter Zweck der Abgabe ist die Finanzierung der Programme der SRG und der privaten Programme mit einem Leistungsauftrag in allen Landesteilen der Schweiz (Service public). Die Branche der privaten Veranstalter soll einen Anteil von 4 bis 6 Prozent des gesamten Abgabeertrags erhalten (Art. 40 Abs. 1 des geänderten RTVG). Nach dem Konzept des Bundesrates soll die neue Abgabe nicht dazu führen, dass die SRG und die anderen Empfänger mehr Geld erhalten. Da sich die Gesamtsumme auf mehr Haushalte und Unternehmen verteilt, wäre die Belastung der einzelnen Haushalte künftig niedriger. Sie hätten voraussichtlich geringere Beiträge zu bezahlen als die heutige, an die Existenz eines Empfangsgeräts gekoppelte Radio- und Fernsehgebühr von jährlich 462 Franken (rund EUR 380).
Die Einführung des Systemwechsels ist frühestens für das Jahr 2018 vorgesehen. Bis zu jenem Zeitpunkt bleibt die Firma Billag für das Inkasso der bisherigen, geräteabhängigen Radio- und Fernsehempfangsgebühren zuständig.
Die vom Parlament beschlossene RTVG-Änderung betrifft neben dem Systemwechsel bei der Rundfunkfinanzierung eine Reihe weiterer Themen, die im Parlament kaum umstritten waren. Dazu gehören die Zuständigkeit für die Aufsicht über das Online-Angebot der SRG, die verbesserte Durchsetzung der Staatsunabhängigkeit regionaler Fernsehveranstalter sowie die Konzessionsvoraussetzungen und verschiedene Bedingungen für private Programme (z.B. über die Untertitelung von Sendungen).
Referenzen
- Texte des nouvelles dispositions de la loi sur la radio et la télévision adoptées par le Parlement, 26 septembre 2014
- http://www.admin.ch/opc/fr/federal-gazette/2014/7085.pdf
- Text der vom Parlament beschlossenen neuen Vorschriften des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG), 26. September 2014
- http://www.admin.ch/opc/de/federal-gazette/2014/7345.pdf
- Chronologie des travaux législatifs
- http://www.parlament.ch/f/suche/Pages/geschaefte.aspx?gesch_id=20130048
- Chronologie der Gesetzesgebungsarbeiten
- http://www.parlament.ch/d/suche/Seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20130048
- Annonce du référendum contre la modification de la loi sur la radio et la télévision sur le site de l’usam
- http://www.sgv-usam.ch/fr/billag-steuer.html
- Ankündigung des Referendums gegen die RTVG-Revision auf der Website des Schweizerischen Gewerbeverbands (sgv - usam)
- http://www.sgv-usam.ch/billag-steuer.html
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IRIS 2014-8:1/14 [CH] Ständerat billigt Einführung einer allgemeinen Rundfunkgebührenpflicht
Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.