Vereinigtes Königreich

[GB] Der House of Lords-Ausschuss für Kommunikation und digitale Fragen veröffentlicht seinen Bericht über künstliche Intelligenz

IRIS 2024-3:1/18

Alexandros K. Antoniou

Universität Essex

Am 2. Februar 2024 hat der House of Lords-Ausschuss für Kommunikation und digitale Fragen (ein Ausschuss, der speziell für Medien, digitale Fragen und die Kreativbranche zuständig ist) seinen Untersuchungsbericht über Große Sprachmodelle (large language-Models - LLMs) und generative künstliche Intelligenz vorgelegt. Der Ausschussbericht enthält Trendprognosen zur Entwicklung der künstlichen Intelligenz in den nächsten drei Jahren und vergleicht sie mit dem Regulierungsansatz, den die britische Regierung in ihrem Weißbuch zur künstlichen Intelligenz vom März 2023 verfolgt. Die Ausschussmitglieder kritisieren vor allem, dass die Regierung in ihrem Weißbuch in erster Linie die Risiken der künstlichen Intelligenz in den Vordergrund stellt und kaum auf die Chancen der neuen Technologie eingeht. Der Bericht enthält vor allem Empfehlungen zur Unterstützung von Innovation, für eine robuste Regulierungsaufsicht, zur proaktiven Risikominderung und zum Urheberrechtsschutz.

Im Einzelnen befasst sich der Ausschussbericht mit einer breiten Palette von Themen in Bezug auf die zukünftigen Auswirkungen, Regulierung, Innovation und ethische Fragen im Zusammenhang mit LLMs und generativer KI. Er weist darauf hin, dass die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz ähnlich umwälzend sein werden wie die Erfindung des Internet und empfiehlt dem Vereinigten Königreich, sich auf einen Zeitraum "erhöhter technologischer Turbulenzen" einzustellen (Abs. 28), um die Chancen dieser neuen Technologie wirksam zu fördern.

Der Bericht fordert die Regierung auf, sich für faire Wettbewerbsbedingungen einzusetzen, die von zentraler Bedeutung für ein dynamisches Wachstum des LLM-Sektors seien. Gerade mittelständische Unternehmen, so der Bericht, profitieren besonders von der Förderung einer Kombination aus Open- und Closed Source-Technologien in diesem Bereich. Der Bericht empfiehlt der Regierung daher, vor allem auf einen fairen Wettbewerb der Technologien zu setzen und sich nicht einseitig auf eines der beiden Modelle festzulegen und eng mit den Regulierungsbehörden zusammenzuarbeiten, um den Wettbewerb von Basismodellen zu überwachen. Um das Risiko einer "regulatory capture", einer Vereinnahmung der Regulierungsbehörden zu minimieren, empfiehlt der Bericht eine Intensivierung der Maßnahmen, einschließlich Red teaming, eine bessere Schulung, um das Fachwissen zu verbessern und externes Feedback bei den Entscheidungsprozessen zu fördern (Abs. 49).

Der Ausschuss weist darauf hin, dass LLM erhebliches Potential für den Fortschritt in Wirtschaft und Gesellschaft besitzen und betont die Bedeutung eines verantwortungsbewussten Umgangs mit der Technologie (Abs. 65). Angesichts dieser unbestreitbaren Vorteile fordert der Ausschuss dringend, die Schieflage auf dem Arbeitsmarkt zu beseitigen und entschiedener gegen die digitale Ausgrenzung vorzugehen. Er fordert die Regierung auf, sich um ein besseres Gleichgewicht zwischen Innovation und Risiko zu bemühen und sich nicht einseitig auf ein Höchstmaß an Sicherheit im Zusammenhang mit KI zu konzentrieren (Abs. 80).

Was das Risikomanagement betrifft, so weist der Ausschuss darauf hin, dass die Gefahr der künstlichen Intelligenz nicht so sehr darin besteht, dass völlig neue Risiken auftauchen, sondern vielmehr, dass künstliche Intelligenz das Begehen von Straftaten erleichtert. Daher solle die Regierung lieber in Zusammenarbeit mit der Branche vorhandene Maßnahmen für die Cyber-Sicherheit verbessern und aktualisieren. Auch wenn heute das Verständnis für die Risiken der KI größer ist und die globale Zusammenarbeit Fortschritte gemacht hat, verhindert das Fehlen eines standardisierten Bewertungsrahmens eine präzisere Einschätzung des Risikoumfangs. Der Bericht empfiehlt daher eine Anpassung der KI-Risikoklassifizierung an das National Security Risk Assessment (NSRA). Dass es in den nächsten Jahren zu katastrophalen Risiken kommen könne, hält der Bericht für unwahrscheinlich, und "apokalyptische Schreckensszenarien im Hinblick auf Bedrohungen der menschlichen Existenz" seien völlig aus der Luft gegriffen (Abs. 23). Eine Überwachung der Entwicklung der nächsten Generation und Förderung einer vernünftigen Entwicklung seien daher wichtig (Abs. 140-141). Um die gesellschaftlichen Risiken einschließlich Diskriminierung und Verzerrungen abzumildern, seien robuste Schadensbegrenzungsstrategien notwendig (Abs. 161), und klare Datenschutzgesetze in Bezug auf LLM seien ein Muss.

Außerdem empfiehlt der Ausschuss dem Vereinigten Königreich, in der Regulierung der künstlichen Intelligenz eigene Wege zu gehen und nicht einfach die Modelle der EU, der Vereinigten Staaten oder Chinas zu übernehmen. Auf diese Weise könne das Vereinigte Königreich Technologie-Diplomatie fördern und Lösungen bieten, die weltweit Nachahmung finden könnten. Die Anpassung der Regulierung auf internationaler Ebene sei zwar wichtig, ebenso wie die Zusammenarbeit, aber auf diese Weise könne das Vereinigte Königreich rechtzeitig sowohl auf Herausforderungen als auch auf Verzögerungen reagieren. Der Ausschuss hält es für falsch, neue Gesetze speziell zur künstlichen Intelligenz zu erlassen. Dies sei verfrüht, da es sich um eine neue Technologie handle, die mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden sei: "Die Technologie ist noch zu neu, die Unwägbarkeiten zu groß und das Risiko, unabsichtlich die Innovation zu behindern, zu groß" (Abs. 187). Stattdessen solle die Regierung sich auf eine strategische Lenkung der Entwicklung von LLM konzentrieren und frühzeitig Regulierungsrahmen beschließen, die anpassungsfähig sind und die Innovation nicht behindern.

Der Bericht kritisiert das langsame Tempo, mit dem die Vorschläge des Weißbuchs zur KI umgesetzt werden, und betont, wie wichtig es sei, die vorhandenen Regulierungsbehörden mit standardisierten Befugnissen und Ressourcen auszustatten. Der Ausschuss weist auch darauf hin, wie wichtig der Schutz des Urheberrechts im Zusammenhang mit dem Einsatz der künstlichen Intelligenz sei und forderte eine faire Behandlung von Rechteinhabern bei der Entwicklung und Verwendung von LLM. Auch wenn es nicht einfach sei, das Urheberrecht auf LLM-Prozesse anzuwenden, so dürfe man doch die grundlegenden Prinzipien des Urheberrechts nicht außer acht lassen: Jeder Urheber hat Anspruch auf Vergütung seiner Werke, die nicht autorisierte Nutzung von Werken muss verhindert werden, außerdem muss die Innovation gefördert werden. Der Ausschuss war der Auffassung, dass der aktuelle Rechtsrahmen hierfür nicht ausreiche (Abs. 246). Sollten im Hinblick auf den Urheberrechtsschutz Unklarheiten bestehen, so sollte die Regierung die bestehenden Rechtsvorschriften aktualisieren, um sie technologisch neutral und zukunftssicher zu gestalten. Der Ausschuss empfiehlt Maßnahmen wie die Stärkung der Position der Urheber, Transparenz in der Datennutzung und Förderung von bewährten Praktiken durch Zusammenarbeit mit Verwertungsgesellschaften und Eigentümern von Datenspeichern, um die Prinzipien des Urheberrechts zu schützen.

Die Arbeitsgruppe des Intellectual Property Office (des Amts für geistiges Eigentum) ist im Juni 2023 zusammengetreten, um Best-Practice, Empfehlungen für die Nutzung des Urheberrechts, Darbietung und Datenbank-Materialien bei KI-Anwendungen festzulegen, einschließlich Data-Mining. Ursprünglich war vorgesehen, das Urheberrecht bei der Anwendung von KI durch ein neues Gesetz zu regeln. Diese Pläne waren jedoch im März 2023 ad acta gelegt worden. Stattdessen sollte ein Kodex auf freiwilliger Basis erstellt werden, eine Entscheidung, die sich als problematisch erwies. In ihrer Antwort auf die Konsultation zum KI-Weißbuch bestätigte die Regierung, dass es dem IPO nicht gelungen war, einen solchen freiwilligen Code of Practice zwischen den Entwicklern von KI und den Rechteinhabern zur Nutzung von urheberrechtlich geschütztem Material für die Schulung von KI zu erstellen (CP 1019, Abs. 29). Die Empfehlung des House of Lords-Ausschusses, das Verfahren an die Regierung zurückzugeben, wenn kein Kodex erstellt werden kann, komme daher rechtzeitig, und die Veröffentlichung des Berichts könne einen zusätzlichen Impetus für eine Lösung bieten.

Insgesamt hat der Ausschuss die Notwendigkeit eines ausgewogenen Ansatzes für die Entwicklung und Entfaltung von LLM hervorgehoben, der ein Maximum an Vorteilen für die Gesellschaft biete und gleichzeitig die Risiken der neuen Technologie abfedere. Er fordert eine strategische Investition in die Innovation, klare und anpassungsfähige Rechtsrahmen und die Unterstützung der internationalen Zusammenarbeit, um verantwortungsbewusst durch die Landschaft der KI-Entwicklung zu navigieren. Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat nun zwei Monate Zeit, um auf diesen Bericht zu antworten.


Referenzen




Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.