Griechenland

[GR] Neuer Vorstand im Nationalen Rundfunkrat, Umsetzung von Artikel 30 der AVMD-Richtlinie aber immer noch ausstehend

IRIS 2023-10:1/19

Alexandros Economou

Nationaler Hörfunk- und Fernsehrat

Am 28. September 2023 entschied das Präsidialkollegium des Parlaments über die Ernennung neuer Mitglieder des Vorstands des ESR (Ethniko Symvoulio Radiotileorasis - unabhängige griechische Behörde für elektronische Medien). Euterpe Koutzamani, ehemalige Staatsanwältin am Obersten Gerichtshof und ehemalige Vizepräsidentin des ESR, wurde zur Präsidentin, Giannis Politis, Journalist und politischer Analyst, zum Vizepräsidenten ernannt (beide Funktionen sind Vollzeitstellen). Weitere sechs Personen wurden zu neuen Mitgliedern bestellt (vier von ihnen Journalisten im Ruhestand), neben einem anderen Mitglied, das 2021 für eine sechsjährige Amtszeit nominiert wurde.

Diese Entscheidung des Präsidialkollegiums löste eine Gegenreaktion aus, da politische Oppositionsparteien der Ansicht waren, dass die erforderliche Dreifünftelmehrheit (16 von 27 Mitgliedern) nicht erreicht worden war, obwohl die Zusammensetzung dieses hohen parlamentarischen Ausschusses wenige Tage vor seiner Sitzung durch die Aufnahme eines weiteren Mitglieds geändert wurde. Kritisiert wurde auch die fehlende Konsultation und Zustimmung zu den vorgeschlagenen Mitgliedern, da ihre Namen den Mitgliedern des Präsidialkollegiums erst zwei Tage vor der Sitzung bekanntgegeben wurden. Tatsächlich findet sich in keiner der bestehenden Geschäftsordnungen des Parlaments oder der für den ESR spezifischen Gesetze irgendeine Bestimmung zu diesem speziellen Thema. In Art. 30 Abs. 5 der AVMD-Richtlinie heißt es, dass die Ernennungsverfahren der Leiter nationaler Regulierungsbehörden oder der Mitglieder des Kollegiums, das diese Aufgabe wahrnimmt, „transparent und diskriminierungsfrei sein und das erforderliche Maß an Unabhängigkeit gewährleisten“ müssen.

Allgemein hat Griechenland Art. 30 Abs. 1 der AVMD-Richtlinie noch nicht vollständig umgesetzt, nach dem Regulierungsbehörden „rechtlich von der Regierung getrennt und funktionell unabhängig von ihren jeweiligen Regierungen...“ sein müssen. Absatz 4 des selben Artikels 30, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die nationalen Regulierungsbehörden „angemessene finanzielle und personelle Mittel und Durchsetzungsbefugnisse haben, um ihre Aufgaben wirksam wahrzunehmen,“ und „über eigene jährliche Haushaltspläne verfügen“, wartet ebenfalls noch auf Umsetzung. Der ESR gehört als juristische Person zum griechischen Staat; sein Haushalt ist an den eines staatlichen Generalsekretariats gekoppelt und er ist personell unterbesetzt.  

Darüber hinaus gehört der ESR zu den wenigen europäischen Behörden, die keine Regulierungsbefugnisse haben; aus diesem Grund kann er seine verfassungsmäßige Verantwortung für die Erteilung von Lizenzen für Hörfunk, regionale Fernsehsender und einen Teil der landesweiten terrestrischen Fernsehsender nicht vollständig wahrnehmen. Seine Befugnisse bei der Veröffentlichung von Ausschreibungen, infolge derer Lizenzen für Dienste vergeben werden, gelten vorbehaltlich Ministerialbeschlüssen.

Grundsätzlich werden die für die Anwendung der bestehenden Gesetze erforderlichen Detailregelungen ebenfalls per Ministerialbeschluss festgelegt (der ESR hat dabei eine beratende Funktion). Die Rolle der Regulierungsbehörde beschränkt sich auf Sanktionsbefugnisse.


Referenzen



Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.