Portugal

EuGH: Instituto do Cinema e do Audiovisual IP gegen NOWO Communications SA

Amélie Lacourt

Europäische Audiovisuelle Informationsstelle

Am 27. Oktober 2022 entschied der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) über einen Rechtsstreit zwischen dem Instituto do Cinema e do Audiovisual, IP (Institut für Film und audiovisuelle Medien - ICA), das insbesondere für die Gewährung von Finanzhilfen für kinematografische und audiovisuelle Tätigkeiten zuständig ist, und NOWO Communications SA, einem Anbieter von Abonnementfernsehen.

Diese Unterstützung wird unter anderem durch die Einnahmen aus der Jahresabgabe finanziert, die von Betreibern von Abonnementfernsehdiensten gemäß Art. 10 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 55/2012 zu zahlen ist, und durch die in Art. 10 Abs. 1 festgelegte Steuer auf die Ausstrahlung von Werbung.

Im August 2013 forderte das ICA, als die für den Einzug der Abgabe zuständige Stelle, von NOWO den Betrag von EUR 886.042,50. NOWO focht diese Besteuerung vor dem Verwaltungs- und Finanzgericht von Almada an und machte im Wesentlichen geltend, dass die Abgabe nicht mit EU-Recht vereinbar sei. Das nationale Gericht gab der Klage statt und stellte fest, dass die Regelung gegen Artikel 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoße, welcher Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Europäischen Union für Angehörige der Mitgliedstaaten verbiete, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Leistungsempfängers ansässig sind. Das Gericht machte geltend, die durch die Erhebung der Abgabe erzielten Einnahmen seien ausschließlich dazu bestimmt, die Förderung und Verbreitung portugiesischer kinematografischer Werke zu finanzieren, so dass die Zuweisung dieser Einnahmen die Kosten inländischer Produktion gegenüber denen ausländischer Produktion senke und folglich mittelbar das grenzüberschreitende Angebot dieser Dienstleistungen gegenüber dem inländischen Angebot diskriminiere.

Das ICA legte daraufhin Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ein. Es machte geltend, dass es kein grenzüberschreitendes Element gebe, das die Anwendung von Artikel 56 AEUV rechtfertige, da die Tätigkeit der Erbringung von Abonnement-Fernsehdiensten auf das portugiesische Hoheitsgebiet beschränkt sei. Der Beitrag sei nicht ausschließlich zur Finanzierung der Förderung und Verbreitung portugiesischer kinematografischer Werke bestimmt, sondern komme auch europäischen Werken zugute. Selbst wenn die Einnahmen aus dieser Abgabe zur Finanzierung nationaler Werke bestimmt wären, könne nicht festgestellt werden, dass dieser Beitrag gegen EU-Recht verstoße, da es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Betreiber von Fernsehdiensten durch die Finanzierung und Unterstützung nationaler Werke den Erwerb nationaler Werke zum Nachteil europäischer Werke begünstigen würden.

Daraufhin beschloss das Oberste Verwaltungsgericht, dem EuGH Vorabentscheidungsfragen vorzulegen. Sie zielten im Wesentlichen darauf ab zu eruieren, ob die in Art. 10 Abs. 2 vorgesehene Abgabe die Erbringung von Dienstleistungen innerhalb der Europäischen Union einschränkt, da die Zuweisung der Einnahmen aus dieser Abgabe für die Produktion und Förderung kinematografischer und audiovisueller Werke die Kosten der von den in Portugal ansässigen Anbietern erbrachten Dienstleistungen verringert und die Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen zum Nachteil der von den in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Anbietern erbrachten Dienstleistungen erleichtert, was einen Verstoß gegen Art. 56 AEUV darstellt. In diesem Zusammenhang erinnerte der EuGH daran, dass nationale Maßnahmen, die die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs verbieten, behindern oder weniger attraktiv machen, Beschränkungen dieser Freiheit darstellen. Solche Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs seien nur dann gerechtfertigt, wenn sie ein legitimes, mit dem VAEU vereinbares Ziel verfolgen und durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt seien; sei dies der Fall, müssten sie geeignet sein, die Verwirklichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und dürften nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sei.

Schließlich stellte der EuGH fest, dass in Ermangelung von Angaben zum Gesamtbetrag der Einnahmen aus der Abgabe und in Anbetracht der Tatsache, dass die Einnahmen aus dieser Abgabe dazu bestimmt seien, die Produktion kinematografischer und audiovisueller Werke in diesem Wirtschaftszweig zu fördern, nicht festgestellt werden könne, dass die Abgabe beschränkende Auswirkungen auf den freien Dienstleistungsverkehr habe. Darüber hinaus werde die finanzielle Unterstützung, deren Gesamtbetrag nicht ermittelt sei, nach dem Zufallsprinzip auf eine große Zahl kinematografischer und audiovisueller Produktionen und Dienstleister verteilt, die an verschiedenen Produktionsphasen beteiligt seien. Jede Auswirkung, die die Abgabe auf die Erbringung von Dienstleistungen haben könnte, die in der Produktion audiovisueller und kinematografischer Werke bestehen, sei als zu unbestimmt und indirekt anzusehen, um eine Beschränkung im Sinne von Artikel 56 AEUV darzustellen. Der EuGH stellte darüber hinaus fest, dass der Preis nicht die einzige Variable sei, die den Erwerb kinematografischer und audiovisueller Werke bestimme. Die Entscheidung eines Betreibers von Fernsehdiensten, kinematografische oder audiovisuelle Werke zu erwerben, hänge auch von kulturellen Faktoren ab, insbesondere von den in den einzelnen Mitgliedstaaten vorherrschenden Besonderheiten und von den Erwartungen des Publikums. Das Gericht kam daher zu dem Schluss, dass Art. 56 AEUV dahingehend auszulegen sei, dass er einer nationalen Regelung zur Einführung einer Abgabe zur Finanzierung der Förderung und Verbreitung kinematografischer und audiovisueller Werke nicht entgegenstehe.


Referenzen


Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.