Luxemburg

[LU] Zusammenarbeit zwischen nationalen Regulierungsbehörden: der Fall Luxemburg und Serbien

IRIS 2023-7:1/17

Amélie Lacourt

Europäische Audiovisuelle Informationsstelle

Am 15. Mai 2023 erließ der Verwaltungsrat der ALIA (Unabhängige luxemburgische Behörde für audiovisuelle Medien) eine Entscheidung bezüglich der Sendung „Fikus za šefa“ [Ficus für den Chef], die am 19. Januar 2022 im Rahmen einer Sendung zum Zeitgeschehen im Fernsehsender N1 ausgestrahlt wurde, nachdem die REM (serbische Regulierungsbehörde) eine Beschwerde zu einem hasserfüllten Inhalt gegen Ana Brnabić (Ministerpräsidentin und Mitglied der Serbischen Fortschrittspartei) weitergeleitet hatte. Nach Ansicht der REM stigmatisierte der Inhalt der Sendung die Premierministerin, indem sie in unangemessener Weise mit Personen verglichen wurde, die in einem nationalsozialistischen Vernichtungslager kollaboriert hatten, und verharmloste und relativierte die NS-Völkermordverbrechen. Wenngleich das Programm für die serbische Öffentlichkeit bestimmt war, arbeitet der Sender unter luxemburgischer Konzession und unterliegt damit der luxemburgischen Rechtshoheit.

Die Beratenden Versammlung der ALIA, die im Falle einer Beschwerde, die sich insbesondere auf die Aufstachelung zum Hass bezieht, konsultiert werden muss, wurde um eine Stellungnahme ersucht. Die Versammlung vertrat die Auffassung, dass „alle Elemente [der fraglichen Sendung] mit dem Ziel zusammengetragen wurden, ein negatives Bild der dargestellten Person zu vermitteln“, und kam zu dem Schluss, dass die Autoren der Sendung, indem sie „Verbindungen zwischen dem Verhalten von Ana Brnabić in der Politik und möglicherweise ihrem künftigen Verhalten in einer Konfliktsituation und den von den Wärtern des Vernichtungslagers Majdanek begangenen Kriegsverbrechen“ herstellten, auf ein „Verfahren [zurückgriffen, das] leicht dazu führt, Hass zu säen“. Die Versammlung empfahl der luxemburgischen Behörde, den Dienstleister Adria News s.à.r.l. abzumahnen, eine Empfehlung, der der Verwaltungsrat schließlich folgte. Angesichts der Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, wenn es um Kritik an Regierungen und ihre Politik geht, konnte der Verwaltungsrat jedoch nicht feststellen, dass zum Hass gegen Brnabić aufgestachelt worden war. Dessen ungeachtet vertrat er die Auffassung, dass das Filmmaterial das Ausmaß und die Einzigartigkeit der Gräuel des Holocaust verharmlost, indem es das Recht auf Achtung der Würde der von der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik betroffenen Opfergruppen und ihrer Nachkommen verletzt, und nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt werden kann, das Rechte und Pflichten im Rahmen eines verantwortungsvollen Journalismus mit sich bringt.

Die REM beschloss, die Entscheidung der serbischen Öffentlichkeit zugänglich zu machen und veröffentlichte eine serbische Version der (ursprünglich englischsprachigen) Zusammenfassung der ALIA-Entscheidung (in französischer Sprache) . In der Folge und um ihren Standpunkt zu verdeutlichen, veröffentlichte die ALIA am 12. Juni 2023 eine Erklärung zur Zusammenarbeit zwischen den Regulierungsbehörden. Darin wies die luxemburgische Behörde darauf hin, dass die Zusammenfassung, die der Entscheidung der ALIA an REM beigefügt gewesen sei, bei ihrer Veröffentlichung auf der REM-Website geändert worden sei. Nicht nur, dass das Logo der ALIA, die Kopf- und Fußzeile und ein Teil der Unterschrift des Verfassers des Schreibens von der REM ohne Genehmigung in eine serbische Übersetzung eingefügt worden seien, auch seien einige Elemente der Zusammenfassung nicht korrekt wiedergegeben worden. Das Gleiche gelte für eine kyrillische Fassung der Entscheidung. Die ALIA war der Ansicht, dass das Fehlen von Angaben, dass es sich um Übersetzungen handelte oder dass sie geändert wurden, den von der REM vorgelegten Dokumenten falsche Glaubwürdigkeit verliehen habe.

In einer zweiten Erklärung der REM hieß es, man hoffe, dass die Entscheidung der ALIA den Dienstanbieter dazu veranlassen werde, in Zukunft davon abzusehen, die politischen Aktivitäten einer Person durch die Ausstrahlung von Berichten wie dem, der Gegenstand der Entscheidung sei, zu diskreditieren. Die ALIA „verurteilte [daraufhin] scharf jeden Versuch der serbischen Regulierungsbehörde, ihre Entscheidungen zu nutzen, um serbische Medien zu diskreditieren und sie bei der Ausübung ihrer Aufgabe, nämlich der Bereitstellung unparteiischer und ausgewogener Informationen im Rahmen von Meinungsfreiheit und freiem Journalismus, in Schwierigkeiten zu bringen“. Die ALIA erinnerte die serbische Regulierungsbehörde erneut an „ihre Pflicht zur Unparteilichkeit, [...] Transparenz, Vollständigkeit und Aufrichtigkeit bei der Verarbeitung und Weitergabe der von der ALIA erhaltenen Informationen, um eine effektive und respektvolle Zusammenarbeit zwischen den Regulierungsbehörden zu gewährleisten“.


Referenzen

  • DECISION DEC003/2023-P002/2022 of 15 May 2023 of the Board of Directors of the Luxembourg Independent Authority for Audiovisual Media concerning a complaint against the service N1  
  • ENTSCHEIDUNG DEC003/2023-P002/2022 vom 15. Mai 2023 des Verwaltungsrats der unabhängigen luxemburgischen Behörde für audiovisuelle Medien über eine Beschwerde gegen den Sender N1


  • REM supplementary statement, "An independent authority from Luxembourg fined N1 television for the show "Heroes of the Evil Age" about Ana Brnabić"
  • REM-Ergänzende Erklärung: „Eine unabhängige Behörde aus Luxemburg verhängte eine Geldstrafe gegen den Fernsehsender N1 wegen der Sendung ‚Helden des bösen Zeitalters‘ über Ana Brnabić“

Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.