Niederlande
[NL] Niederländische Medienbehörde weist Ersuchen um Durchsetzungsmaßnahmen gegen Sender Ongehoord Nederland ab
IRIS 2023-6:1/16
Ronan Ó Fathaigh
Institut für Informationsrecht (IViR)
Am 17. April 2023 wies die niederländische Medienbehörde (Commissariaat voor de Media) ein viel beachtetes Ersuchen des Verwaltungsrats der niederländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkstiftung (Stichting Nederlandse Publieke Omroep - NPO) ab, Durchsetzungsmaßnahmen gegen den Sender Ongehoord Nederland zu ergreifen. Zuvor hatte die NPO drei separate Geldbußen gegen den Sender verhängt: EUR 131.000 im April 2023 wegen „systematischer Verletzung“ des journalistischen Verhaltenskodex der NPO im Zusammenhang mit dem Nachrichtenprogramm des Senders, EUR 84.000 im Juli 2022 wegen einer früheren systematischen Verletzung des journalistischen Verhaltenskodex der NPO sowie EUR 56.000 im Dezember 2022 wegen „mangelnder Zusammenarbeit“. Nach dem niederländischen Mediengesetz hat die NPO die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter hohe journalistische und fachliche Qualitätsanforderungen erfüllen; zudem kann sie Ordnungsstrafen verhängen. In seinem Leitbild beschreibt sich der Sender Ongehoord Nederland als „kritische Stimme“ zu wichtigen gesellschaftlichen Themen, darunter „die negativen Auswirkungen der Masseneinwanderung“ und „die Wahrung der niederländischen Traditionen und Kultur“.
Die NPO ersuchte die Medienbehörde um Durchsetzungsmaßnahmen wegen dreier Sachverhalte: Nichteinhaltung der journalistischen Qualitätsanforderungen, Hassrede und verschleierte Sendezeit für politische Parteien. Die Medienbehörde lehnte das Ersuchen zu allen drei Punkten ab. Erstens stellte die Medienbehörde fest, dass die NPO bereits drei Ordnungsstrafen gegen Ongehoord Nederland verhängt hat, die sich auf die Verpflichtung von Rundfunkveranstaltern beziehen, journalistische Qualitätsanforderungen zu erfüllen. Die Medienbehörde stellte fest, dass das Durchsetzungsersuchen „dasselbe Thema betraf“ und dass Ongehoord Nederland, wenn dem Durchsetzungsersuchen entsprochen würde, „sich wegen desselben mutmaßlichen Verstoßes vor verschiedenen Behörden verantworten müsste“. Die Behörde hielt dies „angesichts des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der besonderen Anforderungen, die sich aus Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention ergeben“, der das Recht auf freie Meinungsäußerung garantiert, für „nicht wünschenswert“.
Zweitens wurde auch das Ersuchen der NPO um Durchsetzungsmaßnahmen wegen mutmaßlicher Hassreden abgewiesen. Die Medienbehörde stellte fest, dass das niederländische Recht vorschreibt, dass eine öffentlich-rechtliche Medieneinrichtung „geeignete Maßnahmen ergreifen muss, um zu verhindern, dass ihr Medienangebot zu Gewalt oder Hass aufstachelt“; diese Bestimmung betrifft die Festlegung von Maßnahmen zur Verhinderung bestimmter strafbarer Äußerungen. Diese Maßnahmen haben „präventiven Charakter“. Nach Auffassung der Medienbehörde ist die Beurteilung, ob ein „Medienangebot vorliegt, das zu Gewalt oder Hass aufstachelt, den Strafgerichten (und damit in erster Linie der Staatsanwaltschaft) vorbehalten, da dies die Qualifizierung strafrechtlicher Begriffe tangiert“.
Drittens stellte die Medienbehörde zudem fest, dass in Bezug auf das Durchsetzungsersuchen im Zusammenhang mit der unzulässigen Zuweisung von Sendezeit an politische Parteien „nicht hinreichend deutlich gemacht worden war, auf welcher Grundlage die Medienbehörde in diesem Fall Durchsetzungsmaßnahmen ergreifen sollte“. Darüber hinaus beeinträchtigt ein Verstoß gegen politische Einflussnahme auf die Medien „die journalistische Qualität und die Unabhängigkeit der Medien“. Die Behörde vertrat die Auffassung, dass Durchsetzungsmaßnahmen „in dieser Hinsicht“ „aufgrund der von der NPO selbst bereits verhängten Ordnungsstrafen unverhältnismäßig“ wären.
Nachdem die Medienbehörde das Ersuchen der NPO abgelehnt hatte, stellte der NPO-Verwaltungsrat am 24. April 2023 einen förmlichen Antrag bei der Staatssekretärin für Kultur und Medien, die vorläufige Anerkennung des Senders Ongehoord Nederland zurückzunehmen. Die Staatssekretärin wird den Antrag nun prüfen und eine förmliche Antwort geben.
Referenzen
- Commissariaat voor de Media, Afwijzing handhavingsverzoek NPO m.b.t. Ongehoord Nederland, 17 april 2023
- https://www.cvdm.nl/nieuws/afwijzing-handhavingsverzoek-npo-m-b-t-ongehoord-nederland/
- Niederländische Medienbehörde, Abweisung des Durchsetzungsersuchens der NPO in Bezug auf Ongehoord Nederland, 17. April 2023
Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.