Ukraine

[UA] Russischer Journalist wegen Aufrufs zum Völkermord verurteilt

IRIS 2023-4:1/29

Andrei Richter

Comenius Universität (Bratislava)

Am 13. Februar 2023 verurteilte das Ševčenkivskyj-Bezirksgericht in Kiew Anton Krasovskij in Abwesenheit wegen öffentlichen Aufrufs zum Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung der Ukraine und Verbreitung solcher Aufrufe in den Massenmedien (Art. 109 Abs. 3 des Strafgesetzbuchs der Ukraine) sowie wegen öffentlichen Aufrufs zum Völkermord und Verbreitung solcher Aufrufe (Art. 442 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs der Ukraine) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren mit Einziehung des Vermögens und somit zur in beiden Artikeln vorgesehenen Höchststrafe. Augenscheinlich war dies die erste Verurteilung eines russischen Medienschaffenden in der Ukraine für derart schwere Straftaten.

Zum Zeitpunkt der Straftat war Krasovskij Moderator der Talkshow „Antonimy s Antonom Krasovskim" (Antonyme mit Anton Krasovskij) sowie Direktor des russischsprachigen Programms von RT (RT-Rossija). Laut Urteil des Kiewer Gerichts hatte er zwischen Januar und März 2022 auf dem (damals in der Ukraine zugänglichen) YouTube-Kanal von RT audiovisuelle Erklärungen verbreitet, in denen die Existenz einer unabhängigen Ukraine geleugnet wurde, wie etwa (auf Russisch) „Fuck! Dieses Land sollte nicht existieren! Und wir sollten alles tun, was wir können, damit es nicht mehr da ist.“ Im April 2022 rief er in Kommentaren auf seinem persönlichen Telegram-Kanal „Anton Vjatčeslavovič“ dazu auf, als Reaktion auf einen mutmaßlichen ukrainischen Angriff in Belgorod „Brüder“ (Ukrainer) zu töten.

Die Ermittlungen in diesem Fall wurden am 16. März 2022 von der Hauptermittlungsabteilung des ukrainischen Sicherheitsdienstes (SBU) aufgenommen. Aufgrund des Gutachtens eines Sprachexperten stellte der Ermittler am 14. Juni eine „Verdachtsmitteilung“ aus, die von der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine am selben Tag bestätigt wurde. Durch dieses Verfahren wird der Adressat formell zum Verdächtigen in einem Strafverfahren. Die „Verdachtsmitteilung“ begründete die Anschuldigungen, die später vom Ševčenkivskyj-Bezirksgericht bestätigt wurden. Das Gericht wies insbesondere darauf hin, dass die Äußerungen „von einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens getätigt wurden, die Einfluss auf das Publikum des betreffenden Fernsehsenders hat und der klar war, dass ihre kategorischen Äußerungen in Form von Veröffentlichungen und Videoaufzeichnungen einer unbegrenzten Anzahl von Personen zugänglich gemacht werden und geeignet sind, eine negative Massenwahrnehmung der Ukraine zu erzeugen“.

Am 9. August 2022 ordnete das Gericht die Inhaftierung Krasovskijs an. Am 16. August 2022 lud die Hauptermittlungsabteilung des ukrainischen Sicherheitsdienstes Krasovskij über den Staatsanzeiger„Urjadovyi kurjer“ erfolglos zu einem Verhör am 17., 18. oder 20. August vor. Die Ukraine hat einen internationalen Haftbefehl gegen Krasovskij erlassen.

Parallel dazu leitete das Ermittlungskomitee der Russischen Föderation (SKRF) im Oktober 2022 eine strafrechtliche Untersuchung zu den Äußerungen von Krasovskij in „Antonimy“ ein, in denen er dazu aufrief, „ukrainische Kinder zu ertränken“, doch im Dezember wurde der Fall wegen „fehlenden Straftatbestands“ eingestellt. Seine Äußerungen lösten dennoch Reaktionen aus, und Berichten zufolge wurde er im Oktober 2022 von RT suspendiert.


Referenzen

  • Decision, Shevchenkivsky district court of Kyiv, case No. 761/15376/22, 9 August 2022
  • Beschluss, Ševčenkivskyj-Bezirksgericht Kiew, Rechtssache Nr. 761/15376/22, 9. August 2022





Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.