Deutschland

[DE] Entwurf zur Regelung von Compliance, Transparenz und Gremienkontrolle im Medienstaatsvertrag

IRIS 2023-2:1/20

Dr. Jörg Ukrow

Institut für Europäisches Medienrecht (EMR), Saarbrücken/Brüssel

Die Rundfunkkommission der Länder hat am 7. Dezember 2022 konkrete Vorschläge für Regelungen der Compliance, Transparenz und Gremienkontrolle im öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschlossen, die auf der Webseite der Rundfunkkommission zur Diskussion gestellt werden. Die Regulierung öffentlicher Kommunikationsräume braucht aus Sicht der Rundfunkkommission eine öffentliche Debatte: Bereits bei der Erarbeitung des Medienstaatsvertrages haben die Länder die jeweils aktuellen Entwürfe ins Netz gestellt und jede/r konnte diese kommentieren.
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland sind bislang in den Bereichen Compliance, Transparenz und Gremienaufsicht sehr unterschiedlich aufgestellt. Mit den nun zur Diskussion gestellten Regelungen, mit denen die Länder zeitnah auf Defizite wie z.B. beim Rundfunk Berlin-Brandenburg  und daraus resultierende Skandale reagieren wollen, soll eine einheitliche Basis für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den genannten Bereichen geschaffen werden. 
Mit der vorgesehenen Ergänzung des Medienstaatsvertrages werden einheitliche Regelungen in den Bereichen festgelegt, die für die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio gelten sollen. Die Vorschriften des Medienstaatsvertrages legen Mindeststandards in den genannten Bereichen fest. Weitergehende Regelungen durch Landesrecht bleiben weiterhin möglich. Einzelne bereits bestehende, gleichlautende Regelungen im ZDF-Staatsvertrag und im Deutschlandradio-Staatsvertrag werden durch die neuen Vorschriften des Medienstaatsvertrages ersetzt.
Der Diskussionsentwurf sieht u.a. vor, dass die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und Deutschlandradio verpflichtet sind, für eine größtmögliche Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit Sorge zu tragen. Zu diesem Zweck sollen die Organisationsstruktur, einschließlich der Zusammensetzung der Gremien und ihrer eingesetzten Ausschüsse, alle Satzungen, Richtlinien, Geschäftsordnungen sowie sonstige Informationen, die von wesentlicher Bedeutung für die jeweilige Rundfunkanstalt sind, im Internetauftritt veröffentlicht werden. Im Geschäftsbericht der Anstalten sowie im Internetauftritt sollen zudem die für die Tätigkeit im Geschäftsjahr gewährten Bezüge der Intendanten und der Direktoren unter Namensnennung veröffentlicht werden, soweit diese nicht einer Abführungspflicht unterliegen. Teil dieser Bezüge sind namentlich Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder und sonstige geldwerte Vorteile. Die Transparenzpflicht soll insbesondere auch gelten für
- Leistungen, die den genannten Personen für den Fall einer vorzeitigen Beendigung ihrer Tätigkeit zugesagt worden sind, 
- Leistungen, die den genannten Personen für den Fall der regulären Beendigung ihrer Tätigkeit zugesagt worden sind, 
- Leistungen, die einer der genannten Personen, die ihre Tätigkeit im Laufe des Geschäftsjahres beendet hat, in diesem Zusammenhang zugesagt und im Laufe des Geschäftsjahres gewährt worden sind, 
- Leistungen, die den genannten Personen für Tätigkeiten bei Tochter- und Beteiligungsgesellschaften gewährt worden sind, und 
- Leistungen, die den genannten Personen für entgeltliche Nebentätigkeiten gewährt worden sind; dies gilt nicht, wenn die Höhe der jeweils vereinbarten Einkünfte den Betrag von EUR 1.000 pro Geschäfts-jahr nicht übersteigt. 
Der Geschäftsbericht sowie der Internetauftritt sollen zudem Angaben über die Tarifstrukturen und eine strukturierte Darstellung der außertariflichen Vereinbarungen enthalten müssen.
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben nach dem Entwurf jeweils ein wirksames Compliance Management System nach anerkannten Standards zu gewährleisten und nach dem aktuellen Stand fortzuschreiben. Sie haben jeweils eine in Ausübung des Amtes unabhängige Compliance-Stelle oder eine/n Compliance-Beauftragte/n einzusetzen, die oder der regelmäßig an den Intendanten sowie an den Verwaltungsrat berichtet. Die Compliance-Stellen und -Beauftragten sollen sich untereinander austauschen.
Darüber hinaus beauftragen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nach dem Entwurf jeweils eine Ombudsperson als externe Anlaufstelle für vertrauliche und anonyme Hinweise zu Rechts- und Regelverstößen in den jeweiligen Rundfunkanstalten.
Die Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten müssen nach dem Entwurf personell und strukturell in der Lage sein, die ihnen jeweils zugewiesenen Aufgaben umfassend zu erfüllen. Hierzu ist insbesondere sicherzustellen, dass 1. in den Verwaltungsräten, auch durch die Mitglieder, ausreichende Kenntnisse im Bereich der Wirtschaftsprüfung, der Betriebswirtschaft, des Rechts und der Medienwirtschaft oder der Medienwissenschaft vorhanden sind, 2. die Mitglieder der jeweiligen Gremien sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben regelmäßig fortbilden, 3. für die Gremien Geschäftsstellen eingerichtet werden, welche angemessen mit Personal- und Sachmitteln ausgestattet sind.
Vom 19. Dezember 2022 bis zum 31. Januar 2023 können die Regelungsvorschläge kommentiert werden. Die Anmerkungen werden in die weiteren Beratungen einfließen und auf der Webseite veröffentlicht, wenn hierzu eine entsprechende Einwilligung erteilt wurde.


Referenzen



Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.