Österreich

[AT] Entscheidung des österreichischen Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob YouTube für Online gestellte Inhalte verantwortlich ist (vor Umsetzung der DSM-RL)

IRIS 2022-7:1/12

Harald Karl

PEPELNIK & KARL Rechtsanwälte Attorneys at law

Ein Betreiber einer Video-Sharing- oder Sharehosting-Plattform (hier: YouTube) nimmt grundsätzlich keine „öffentliche Wiedergabe“ von Inhalten vor, die Nutzer rechtswidrig öffentlich zugänglich machen. Zu diesem Ergebnis gelangte der österreichische Oberste Gerichtshof zumindest zur Rechtslage bis zur Umsetzung der Richtlinie [EU] 2019/790 vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG (DSM-Richtline).

Der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) hat sich in einer Entscheidung vom 17. September 2021 mit der Frage auseinandergesetzt, ob YouTube für die von Usern auf der Plattform veröffentlichten Beiträge verantwortlich ist und eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung (öffentliche Wiedergabe) zu verantworten hat. Maßgeblich war hier noch die alte Rechtslage vor Umsetzung der DSM Richtlinie, am 1.1.2022 in Österreich (verspätet).

Der OGH hatte zunächst das Verfahren unterbrochen bis zur Entscheidung des EuGH  eines Vorabentscheidungsersuchens des BGH zu C-682/18 und C-683/18.

Zentrale Problematik des Verfahrens war, ob YouTube eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art 3 Abs 1 Richtlinie 2001/29/EG (bzw § 18a östUrhG) zu verantworten hat, wenn es von Nutzern eingestellte, rechtsverletzende Inhalte zum Abruf bereitstellt.

Eine öffentliche Wiedergabe sei im Anlassfall deshalb auszuschließen, weil ein aktiver Beitrag dahingehend, dass der Öffentlichkeit unter Verletzung von Urheberrechten Zugang zu solchen Inhalten verschafft wird, nicht vorliegt und beanstandete Videos nach Kenntniserlangung von deren Urheberrechten durch Abmahnung jeweils unverzüglich entfernt wurden.

Der EuGH führte in seiner Entscheidung dazu aus, dass der Plattformbetreiber bei der Zugänglichmachung von durch Nutzer eingestellte Inhalte zwar eine zentrale Rolle spielt, dies alleine jedoch nicht ausreicht, eine öffentliche Wiedergabe anzunehmen. Vielmehr sind andere Kriterien, insbesondere die der Vorsätzlichkeit des Handelns eines solchen Betreibers zu berücksichtigen. Zu den maßgeblichen Gesichtspunkten zählen namentlich die Tatsache, dass ein solcher Betreiber, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass über seine Plattform im Allgemeinen durch Nutzer derselben geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, nicht die geeigneten technischen Maßnahmen ergreift, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen.Die Tatsache, dass dieser Betreiber an der Auswahl geschützter Inhalte, die rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, beteiligt ist, auf seiner Plattform Hilfsmittel anbietet, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind, oder ein solches Teilen wissentlich fördert, wofür der Umstand sprechen kann, dass der Betreiber ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu anregt, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen. Der bloße Umstand, dass der Betreiber allgemein Kenntnis von der rechtsverletzenden Verfügbarkeit geschützter Inhalte auf seiner Plattform hat, genügt hingegen nicht, um anzunehmen, dass er mit dem Ziel handelt, den Internetnutzern Zugang zu diesen Inhalten zu verschaffen. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Betreiber, obwohl er vom Rechtsinhaber darauf hingewiesen wurde, dass ein geschützter Inhalt über seine Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht wurde, nicht unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Zugang zu diesem Inhalt zu verhindern. Der Umstand, dass YouTube in Gewinnerzielungsabsicht handelt, ändert daran nichts .

Bei der Prüfung der maßgeblichen Gesichtspunkte sei zu berücksichtigen, dass die Betreiberin von YouTube die eingestellten Inhalte weder erstellt noch auswählt und auch beim Hochladen nicht vorab sichtet oder kontrolliert. Ferner informiert sie ihre Nutzer sowohl in den AGB als auch bei jedem Upload über das Verbot, rechtsverletzende Inhalte einzustellen, und sperrt Accounts, die wiederholt dagegen verstoßen. Die eingerichteten technischen Maßnahmen (Meldebutton, Benachrichtigungsverfahren) lassen den Schluss zu, dass sie Urheberrechtsverletzung „glaubwürdig“ und wirksam bekämpft. Das Ranglistensystem sei nicht darauf ausgelegt, das Teilen von rechtsverletzenden Inhalten zu erleichtern. Es ist nicht ersichtlich, dass das Ziel oder die hauptsächliche Nutzung von YouTube im unerlaubten Teilen geschützter Inhalte besteht. Anknüpfend an diese Ausführungen des EuGH, kommt der OGH zum Ergebnis, dass You Tube keine öffentliche Wiedergabe und damit auch keinen Eingriff in § 18a UrhG zu verantworten hat.

Insoweit die Rechtsansicht vertreten wird, dass die Erstbeklagte für die von den Nutzern eingestellten Inhalte hafte und sich damit für fremde Verstöße auf die Haftungsbeschränkung des Art 14 Abs 1 Richtlinie 2000/31/EG (§ 16 ECG [Ausschluss der Verantwortlichkeit bei Speicherung fremder Inhalte]) nicht berufen könne, verweist der OGH auf den  EuGH: Von dieser Haftungsbefreiung sei der Betreiber nur dann ausgeschlossen, wenn er Kenntnis von den konkreten rechtswidrigen Handlungen seiner Nutzer hat, die damit zusammenhängen, dass geschützte Inhalte auf seine Plattform hochgeladen wurden.

Der Umstand, dass die Rechtslage mittlerweile verschärft wurde (Stichwort Upload-Filter nach Art 17 der DSM-RL), kann dahinstehen, weil eine Parallelprüfung stattzufinden hat. Demnach wäre ein Unterlassungsanspruch nur dann zu bejahen, wenn das beanstandete Verhalten sowohl gegen das alte als auch gegen das neue Recht verstößt. Abgesehen davon war die RL in Österreich noch nicht umgesetzt.

Seit 1.1.2022 sind jedoch die Vorgaben der DSM-RL in Österreich umgesetzt. Große Online-Plattformen wie YouTube tragen daher seither sehr wohl eine Verantwortung für die Online gestellten Inhalte, soweit diese die gesetzlichen Vorgaben nicht einhalten.


Referenzen


Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.