Norwegen
[NO] Norwegische Betreiber sind angewiesen, auf Norwegen abzielende Wettwerbung auf Discovery-Kanälen zu sperren
IRIS 2022-6:1/25
Linda Andersen
Norwegische Medienbehörde
In zwei Beschlüssen vom 30. März 2022 weist die norwegische Medienbehörde (NMB) norwegische Netzbetreiber, die im norwegischen Markt Fernsehen übertragen, an, den Zugang zu Werbung für bestimmte Wett-Websites zweier maltesischer Wettunternehmen, BLM Group Ltd und Trannel International Ltd, zu sperren oder zu erschweren. Die Anordnung zur Sperrung von Wettwerbung betrifft die deutschen Discovery-Kanäle FEM, MAX und VOX sowie Eurosport Norge, das vom französischen Unternehmen Eurosport S.A.S. angeboten wird. Bei den von den Beschlüssen betroffenen Betreibern handelt es sich um die fünf größten Netzbetreiber für lineares Fernsehen in Norwegen, darunter Fernsehbetreiber über Satellit, Kabel/Glasfaser und das digitale terrestrische Netz. OTT-Dienste und audiovisuelle Abrufdienste fallen nicht unter die Beschlüsse.
Das norwegische Glücksspielsystem basiert auf einem gesetzlichen System von Exklusivrechten. Nur die staatlichen Unternehmen Norsk Tipping und Norsk Rikstoto sowie einige andere kleinere Unternehmen dürfen in Norwegen Glücksspiele anbieten. Das Anbieten oder Vermarkten von Glücksspielen anderer norwegischer oder ausländischer Unternehmen ist strengstens untersagt. Das Glücksspielmonopol zielt darauf ab, nachteilige Auswirkungen des Glücksspiels zu verhindern.
Die Rechtsgrundlage für die NMB-Beschlüsse ist eine neue Bestimmung im Rundfunkgesetz, das zum 1. Januar 2021 geändert wurde. Das Rundfunkgesetz besagt in Artikel 4-7, dass die NMB eine Anordnung erlassen kann, um den Zugang zur Vermarktung im Fernsehen oder bei audiovisuellen Abrufdiensten zu verhindern oder zu erschweren, wenn diese gegen Artikel 2 des Glücksspielgesetzes, Artikel 11 des Lotteriegesetzes oder gegen im Totalisatorgesetz vorgesehene Vorschriften verstößt.
Vor dem Erlass der Anordnungen hat die NMB geprüft, ob die Erwägungen, die für die Anordnung sprechen, schwerer wiegen als die Nachteile, die die Anordnung mit sich bringen würde. Eine Anordnung darf nicht erlassen werden, wenn die NMB feststellt, dass sie eine unverhältnismäßige Maßnahme wäre. Die Beschlüsse der NMB beruhen auf der Schlussfolgerung, dass die Vermarktung grenzüberschreitender Glücksspieldienste unter Verstoß gegen das norwegische Glücksspielgesetz dem Ziel der norwegischen Glücksspielpolitik besonderen Schaden zufügt. Diese Politik sieht vor, dass die Nachfrage nach Glücksspielen auf ein überwachtes inländisches Angebot an Glücksspielen unter hohem Verbraucherschutz gelenkt wird.
Bei der Verabschiedung der neuen Bestimmung im Rundfunkgesetz prüfte das norwegische Parlament, ob ein Beschluss, der norwegische Betreiber anweist, Wettwerbung auf Fernsehkanälen, die auf Norwegen ausgerichtet sind, zu sperren, einen Verstoß gegen die Empfangsfreiheit gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2010/13/EU über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) darstellen würde.
Im November 2018 wurde die Änderung der AVMD-Richtlinie (Richtlinie 2018/1808/EU) verabschiedet und in Erwägungsgrund 10 die Möglichkeit eines Eingriffs in die Vermarktung von Glücksspielen durch nationale Rechtsvorschriften abgeklärt. Im Weißbuch mit dem Vorschlag zur Änderung des Rundfunkgesetzes vertrat das Parlament die Auffassung, dass in Erwägungsgrund 10 der überarbeiteten AVMD-Richtlinie klargestellt worden sei, dass Glücksspielwerbung nicht durch die Richtlinie harmonisiert werden solle. Die Richtlinie berühre daher nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten, ein nationales Konzept für Glücksspielwerbung zu beschließen, sofern solche Maßnahmen gerechtfertigt, im Hinblick auf das angestrebte Ziel verhältnismäßig und notwendig seien. Auf dieser Grundlage stellte die NMB fest, dass Glücksspiel kein mit der AVMD-Richtlinie koordinierter Bereich sei und ihre Beschlüsse daher nicht gegen die in Artikel 2 der Richtlinie verankerte Empfangsfreiheit verstoßen. Die Beschlüsse verpflichten den Betreiber nicht, die Fernsehkanäle als solche zu sperren, sondern lediglich die unzulässige Wettwerbung. Darüber hinaus gelten die in Artikel 4 der Richtlinie festgelegten Verfahren nicht für Glücksspielaktivitäten.
Die Betreiber haben bis zum 15. August 2022 Zeit, die in den Beschlüssen festgelegten Verpflichtungen zu erfüllen. Die NMB kann Zwangsgelder verhängen, wenn die Bedingungen der Beschlüsse nicht eingehalten werden. Zwei der Betreiber haben gegen die Beschlüsse bei einem unabhängigen Medien-Beschwerdeausschuss Berufung eingelegt. Die Betroffenen können auch vor Gericht gegen die Beschlüsse vorgehen. Vor den Beschlüssen hatte Discovery gegen die Rechtsgrundlage im Rundfunkgesetz geklagt und angeführt, die Bestimmung selbst verstoße gegen die AVMD-Richtlinie und das allgemeine EU/EWR-Recht. Der norwegische Oberste Gerichtshof wies die Berufung mit der Begründung zurück, Discovery habe keine berechtigten Ansprüche. Discovery müsse einen Beschluss der NMB abwarten, bevor es rechtliche Schritte einleiten könne.
Referenzen
- Pressemelding om Medietilsynets vedtak med pålegg om å hindre tilgang til pengespillreklame for norske tv-distributører
- https://www.medietilsynet.no/nyheter/aktuelt/medietilsynet-palegger-tv-distributorene-a-stoppe-pengespillreklame-fra-discovery/
- Pressemitteilung zu den Beschlüssen der norwegischen Medienbehörde, Glücksspielwerbung zu sperren
- Lov om kringkasting og audiovisuelle bestillingstjenester av 4. desember 1992 nr. 127
- https://lovdata.no/dokument/NL/lov/1992-12-04-127?q=kringkastingsloven
- Gesetz über Rundfunk und audiovisuelle Abrufdienste (Rundfunkgesetz, inoffizielle englische Übersetzung)
- Lov om pengespill mv. av 28. august 1992 nr. 103 (pengespilloven)
- https://lovdata.no/dokument/NL/lov/1992-08-28-103?q=pengespill
- Glücksspielgesetz
- Lov om lotterier mv. av 24. februar 1995 (lotteriloven)
- https://lovdata.no/dokument/NL/lov/1995-02-24-11?q=lotteriloven
- Lotteriegesetz
- Lov om veddemål ved totalisator av 1. juli 1927 nr. 3 (totalisatorloven)
- https://lovdata.no/dokument/NL/lov/1927-07-01-3?q=totalisatorloven
- Totalisatorgesetz
- Norges Høyesteretts ankeutvalg - Kjennelse
- https://lovdata.no/dokument/HRSIV/avgjorelse/hr-2022-486-u?q=HR-2022-486-U
- Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (HR-2022-486-U)
Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.