Schweiz

[CH] Schweizer lehnen Gesetz zur Medienförderung ab

IRIS 2022-4:1/30

Dr. Jörg Ukrow

Institut für Europäisches Medienrecht (EMR), Saarbrücken/Brüssel

Die schweizerische Bevölkerung hat am 13.02.2022 bei einer Stimmbeteiligung von 44,13 % mit einer Mehrheit von 54,56 % ein im Schweizer Parlament beschlossenes „Bundesgesetz über ein Maßnahmenpaket zugunsten der Medien“ abgelehnt. Es bleibt damit bei den jährlichen Unterstützungsmaßnahmen in der Höhe von 136 Mio. Franken. Mit dem Maßnahmenpaket wären die Subventionen um rund 150 Mio. Franken jährlich aufgestockt worden. Für die Postzustellung von abonnierten Zeitungen waren jährlich 90 statt 30 Mio. Franken vorgesehen; die Verbandspresse sollte zusätzlich 10 Mio. Franken erhalten. 23 Mio. Franken sollten der Aus- und Weiterbildung von Journalisten, dem Presserat oder den Nachrichtenagenturen zugutekommen.

Die Initiatoren des Pakets gingen bei dem Gesetzgebungsvorhaben von dem Beitrag aus, den Zeitungen, private Radio- und Fernsehstationen und Online-Medien zur politischen Meinungsbildung und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten, indem sie die Bevölkerung täglich mit Informationen aus ihrer Region und der Schweiz versorgen. Trotz ihrer Bedeutung sind die lokalen und regionalen Medien – so wie im Übrigen auch in Deutschland – finanziell unter Druck geraten: Werbegelder fließen vermehrt zu großen internationalen Internetplattformen. Viele Zeitungen sind verschwunden. Auch die privaten Radio- und Fernsehstationen haben weniger Werbeeinnahmen. Das schwächt die Berichterstattung aus den Regionen und damit das gesellschaftliche Zusammenleben. Mit der Initiative sollte auch der Schutz vor Desinformation gestärkt werden.

Mit der Gesetzesinitiative sollten zum einen die lokalen und regionalen Medien gestärkt werden. Die schon seit langem bestehende Förderung der Zustellung von abonnierten Zeitungen sollte auf Zeitungen mit größerer Auflage und auf die Zustellung früh am Morgen ausgedehnt werden. 
Mit einer Summe von 30 Mio. Franken pro Jahr sollte sichergestellt werden, dass die Schweizer Bevölkerung sich über Online-Medien in allen Landesteilen und in allen Landessprachen über die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themen in der Schweiz informieren kann. Gefördert werden sollten allerdings keine Gratisangebote, sondern nur Online-Medien, die von ihrer Leserschaft mitfinanziert werden. 
Die Fördermittel sollten nach einem degressiven Schlüssel verteilt werden: Kleine und mittlere Zeitungen und Online-Medien sollten von der Förderung durch höhere Beitragssätze überproportional profitieren, um die Berichterstattung in den kleineren Städten und ländlichen Regionen zu stärken.
Private Lokalradios und das Regionalfernsehen werden in der Schweiz mit Blick auf ihren service public schon seit Mitte der 1990er-Jahre entschädigt. Mit dem Maßnahmenpaket sollte die Möglichkeit eröffnet werden, die Unterstützung um maximal 28 Mio. Franken jährlich zu erhöhen. 
Die Fördermaßnahmen sollten aus den Einnahmen der bestehenden Radio- und Fernsehabgabe sowie über den Bundeshaushalt finanziert werden. Bei Zeitungen und Online-Medien sollten sie nach sieben Jahren wegfallen.

Gegner der Gesetzesinitiative hatten geltend gemacht, dass der Staat mit dem neuen Gesetz die freien Medien „kaufe“ und somit einen Stützpfeiler der Demokratie einreiße. Namentlich die neuen staatlichen Direktzahlungen für Online-Medien gefährdeten die journalistische Unabhängigkeit. Wer von der öffentlichen Hand lebt, könne nicht als unabhängig gelten. Staatssubventionen würden Abhängigkeiten schaffen und Strukturen zementieren. Der freie Wettbewerb im Medienbereich und damit auch Innovationen würden beeinträchtigt. Gegner des Maßnahmenpakets machten auch geltend, dass in erster Linie reiche und auflagenstarke Verlage von den Subventionen profitieren würden. Das zeige sich beispielsweise bei den neuen Fördergeldern für die Zustellung der Sonntagszeitungen, die allesamt von großen Verlagen herausgegeben würden. Zudem sei es willkürlich, nur abonnierte Medien und nicht auch Gratiszeitungen und Gratis-Online-Angebote zu unterstützen. Bei der Analyse des Scheiterns der Initiative wurde auch vorgetragen, dass das Paket überladen war. Zu viele Dinge hätten zu viele Gegner auf den Plan gerufen. 
Die Ablehnung des Maßnahmenpakets dürfte auch für die Debatte über die Förderung von lokaler und regionaler Medienvielfalt in Deutschland nicht ohne Bedeutung sein. In dem Koalitionsvertrag der Ampelkoalition auf Bundesebene ist vorgesehen, dass die Regierungspartner „die flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen gewährleisten und prüfen (wollen), welche Fördermöglichkeiten dazu geeignet sind“. In der Protokollerklärung aller Länder zum Medienstaatsvertrag hatten die Länder unter Ziffer 5 „Regionale Vielfalt“ u.a. ausgeführt, dass sie mit dem Ziel, „auch künftig eine differenzierte, professionelle und relevante Berichterstattung aus allen Teilen der Bundesrepublik zu erhalten“ über die bereits im Zusammenhang mit dem Medienstaatsvertrag getroffenen Vereinbarungen hinaus „Maßnahmen zur Sicherung der regionalen und lokalen Medienvielfalt prüfen. Neben tradierten Medienhäusern sollen in diesen Prozess auch weitere Akteure (u.a. Medienplattformen und -intermediäre) einbezogen werden“.

Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, sieht in diesem Zusammenhang eine Abgeltung durch globale Plattformen zu Gunsten der Schweizer Medienunternehmen als gerechtfertigt an, wenn sie deren journalistische Inhalte nutzen und zugänglich machen. Eine Vorlage für eine externe Anhörung für eine entsprechende gesetzliche Regelung soll bis Ende dieses Jahres ausgearbeitet werden.


Referenzen



Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.