Zypern

[CY] Oberster Gerichtshof: Recht auf Anhörung kann nicht auf schriftliche Übermittlung von Stellungnahmen beschränkt sein

IRIS 2022-3:1/19

Christophoros Christophorou

Experte des Europarats im Bereich Medien und Wahlen

Der Oberste Gerichtshof hat eine Berufung der Hörfunk- und Fernsehbehörde („die Behörde“) gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen, mit der die Aufhebung einer 2012 gegen Antenna Television verhängten Geldbuße angeordnet wurde. Das Verwaltungsgericht hatte die Aufhebung der Geldbuße mit der Entscheidung der Behörde begründet, bei der Prüfung von Gesetzesverstößen nur noch schriftliche Einlassungen von Diensteanbietern zu akzeptieren. Der Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:

Die Behörde prüfte eine Rechtssache gegen Antenna wegen Verletzung der Jugendschutzbestimmungen in einer 2012 ausgestrahlten Sendung. Sie forderte den Diensteanbieter auf, innerhalb von 45 Tagen schriftlich Stellung zu nehmen, was Antenna tat, wobei der Sender sich im Interesse eines fairen Verfahrens das Recht vorbehielt, persönlich angehört zu werden. Die Behörde lehnte die wiederholten Ersuchen von Antenna ab, eine persönliche Stellungnahme abgeben zu dürfen.

2010 hatte die Behörde - auf der Grundlage ihrer eigenen Auslegung von Regelung 42 Absatz 6 der Verordnung 10/2000 über Verfahren vor der Hörfunk- und Fernsehbehörde - beschlossen, dass sie Stellungnahmen von Diensteanbietern nur schriftlich entgegennimmt, „um das Prüfungsverfahren [für eine große Anzahl anhängiger Fälle] zu beschleunigen“. In der Regelung heißt es:

„(6) Das Verfahren vor der Behörde ist wie folgt:

Dem Anbieter wird eine Ausfertigung der vermeintlichen Zuwiderhandlung oder eine gegen ihn vorgebrachte Beschwerde zugesandt;

der Anbieter, gegen den die Beschwerde vorgebracht wurde, wird aufgefordert, sich entweder persönlich oder schriftlich zu äußern [...]“

Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die oben genannte Bestimmung dem Diensteanbieter das Recht einräume zu wählen, wie er seine Stellungnahme vorbringen möchte. Selbst wenn Antenna dieses Recht nicht in Anspruch genommen habe, könne dies nach der Rechtsprechung des EGMR an sich nicht als Verzicht auf dieses Recht ausgelegt werden. Ohne eine positive Antwort, die eine mündliche Anhörung des Diensteanbieters ermöglicht hätte, sei das Recht auf ein faires Verfahren nicht gewahrt worden.

Vor dem Obersten Gerichtshof beharrte die Behörde darauf, dass ihre Auslegung der Regelung richtig sei, und argumentierte gleichzeitig, dass sich die Anforderungen aus der geltenden Rechtsprechung des EGMR auf Verfahren vor Gerichten bezögen und ihre Verfahren als Verwaltungsbehörde anders zu betrachten seien. Sie focht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch aus anderen Gründen an.

Der Oberste Gerichtshof stellte fest, dass die Formulierung „entweder persönlich oder schriftlich“ nicht als alternative Möglichkeiten, sondern als UND- oder auch als UND/ODER-Funktion zu verstehen sei.

Er verwies auf eine Entscheidung des EGMR in der Rechtssache Sigma Radio Television Ltd. gegen Zypern (2011) EGMR 1179, in der der EGMR bei der Auslegung der Regelung in zwei Fällen auf die Möglichkeit hingewiesen hatte, „während der Anhörung schriftliche und/oder mündliche Stellungnahmen abzugeben“.

In seinem Urteil wies der Oberste Gerichtshof die Berufung der Behörde zurück und kam zu dem Schluss: „…das erstinstanzliche Gericht hat eine korrekte, verhältnismäßig abgewogene und rationale Auslegung der einschlägigen Bestimmungen vorgenommen und sich dabei von der Gewährleistung eines gerechten Verfahrens vor der Behörde und vom Schutz der Rechte des Beschwerdeführers leiten lassen…“

Auf Grundlage der oben genannten Entscheidung, die geltende Rechtsprechung wird, hat der Oberste Gerichtshof seit Dezember 2021 zahlreiche Entscheidungen in ähnlichen Fällen erlassen


Referenzen

  • Έφεση κατά απόφασης Διοικητικού Δικαστηρίου, 38/19 (Υπόθ. 1873/12, Αρχή Ραδιοτηλεόρασης Κύπρου ν. Αντέννα Ltd, 30 Νοεμβρίου 2021
  • http://www.cylaw.org/cgi-bin/open.pl?file=/apofaseis/aad/meros_3/2021/3-202111-38-193.htm
  • Berufung gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts, 38/19 (Rechtssache 1873/12, Hörfunk- und Fernsehbehörde gegen Antenna Ltd, 30. November 2021

Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.