Deutschland
[DE] Bundesverwaltungsgericht räumt Medien weitergehende Auskunftsansprüche gegen deutschen Bundesnachrichtendienst ein
IRIS 2021-8:1/21
Christina Etteldorf
Institut für Europäisches Medienrecht
In zwei Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), das höchste ordentliche Verwaltungsgericht Deutschlands, für mehr Transparenz des Bundesnachrichtendienstes (BND) gegenüber Journalisten gesorgt. Sowohl die Identität von Prozessbeteiligten, die sich in einem anderen Gerichtsverfahren gegen die Offenlegung von Pressekontakten gewehrt hatten, als auch die von Medienvertretern, die zu „Kennenlerngesprächen“ beim BND geladen worden waren, muss der BND danach Journalisten offenlegen. Mit diesen Auskunftsansprüchen wird Medienvertretern damit auch die Möglichkeit gegeben, sowohl für Berichterstattung als auch für Recherchetätigkeit die Beziehungen zu bewerten, die der BND als einer der drei deutschen Nachrichtendienste des Bundes, der insbesondere zuständig für die zivile und militärische Auslandsaufklärung ist, mit anderen Medienvertretern pflegt.
Den beiden Verfahren liegt dabei ein zusammenhängender Sachverhalt zugrunde, bei dem es im Kern um „Hintergrund-“ oder „Kennenlerngespräche“ geht, zu denen der BND ausgewählte Vertreter von Medien seit 2016 geladen hatte. Ein Redakteur einer bekannten Tageszeitung, der nicht zu diesen Gesprächen geladen worden war, verlangte gegenüber dem BND Auskunft, welche Medienvertreter geladen worden waren. Dabei ging es ihm nach seinen Angaben auch um die Recherche, ob gegebenenfalls eine missbräuchliche Zusammenarbeit zwischen dem BND und (bestimmten, ausgewählten) Journalisten stattfindet, woran die Öffentlichkeit ein gesteigertes Interesse habe. Da der BND dem Begehren nicht stattgab, ging der Redakteur gerichtlich hiergegen vor und bekam schließlich Ende 2019 vom BVerwG (Az. 6 A 7.18) einen solchen Auskunftsanspruch für die Jahre 2016 und 2017 zugestanden. Gegen diese Entscheidung legte ein Zeitungsverlag Verfassungsbeschwerde ein, um die Auskunft zu verhindern, die allerdings vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen wurde. Um welchen Zeitungsverlag es sich dabei allerdings handelte, gab das BVerfG nicht bekannt. Auch hierauf begehrte der Redakteur der Tageszeitung danach Auskunft gegenüber dem BND und dem BVerfG: Die Identität des Beschwerdeführers sowie seiner Anwälte und auch der Inhalt der Beschwerde könne vor dem Hintergrund seiner Recherche aufdecken, ob der Verfassungsbeschwerde unter Umständen eine Gefälligkeit für den BND zugrunde gelegen hat. Da sowohl BND als auch BVerfG dem nicht nachkamen, ging er erneut gerichtlich vor.
Das BVerwG hat in seinem ersten Beschluss vom 23. März 2021(BVerwG 6 VR 1.21) diesem Begehren gegenüber dem BND im Wege der einstweiligen Anordnung stattgegeben und diesen verurteilt, sowohl die Identitäten der Beschwerdeführer als auch der Prozessbevollmächtigen offenzulegen und anzugeben, ob diese zum Kreis der zu den Hintergrundgesprächen geladenen Medienvertreter gehört haben. Den Anspruch leitete das BVerwG dabei unmittelbar aus der grundrechtlich geschützten Pressefreiheit ab, auf die sich Journalisten (unabhängig vom Medium) berufen können. Dabei betonte das Gericht, dass es grundsätzlich den Medien selbst obliegt, zu beurteilen, welche Informationen für sie vonnöten sind, um ein bestimmtes Thema zum Zweck einer Berichterstattung im Recherchewege aufzubereiten. Eine Grenze sei nur dort gegeben, wo der Rechercheansatz sich auf reine Spekulationen gründe, die durch Auskünfte ins Blaue hinein gestützt werden sollen. Ein solcher Fall liege aber hier nicht vor, was das BVerwG insbesondere durch Aussagen des deutschen Bundesministers des Innern untermauerte, dass diese Art "anlassbezogener Vorabinformation […] zum üblichen Repertoire behördlicher Medienarbeit“ gehöre. Zudem sei das Thema eines möglichen kollusiven Zusammenwirkens zwischen Bundesbehörden und ausgewählten Presseorganen ein solches von erheblichem öffentlichem Interesse.
In einem weiteren Verfahren begehrte der Redakteur sodann auch Auskunft, an welchen Tagen seit Juni 2019 der BND aus welchem Anlass Medienvertretern Zugang zu seiner Liegenschaft in Berlin gewährt hat. Zudem wollte er wissen, mit welchen Medienvertretern der BND an welchem Tag ein Einzelgespräch geführt hat und welche Medien diese vertreten haben. Auch diesem Begehren gab das BVerwG (Az. 6 A 10.20) nun mit Urteil vom 08. Juli 2021 teilweise, und zwar in Bezug auf die durchgeführten „Kennenlerntermine“, nicht aber in Bezug auf Einzelgespräche, statt. Dem Auskunftsanspruch, der sich auch hier unmittelbar aus dem Grundrecht der Pressefreiheit ergebe, stünden schutzwürdige private Interessen der betroffenen Journalisten und Medien nicht entgegen. Der Nennung ihrer Namen könne der BND nicht das Recherche- und Redaktionsgeheimnis entgegenhalten, weil die begehrten Auskünfte keinen Bezug zu einer konkreten Recherche erkennen lassen und daher keine Gefahr bestünde, dass durch die Auskünfte konkrete Recherchetätigkeiten aufgedeckt werden. Ebenso wenig stehe das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Medienvertreter entgegen, da die Auskunft deren auf Öffentlichkeit angelegte berufliche Sphäre betreffe. Anders sei dies allerdings bei der Offenlegung von Daten und Namen der Einzelgespräche zu beurteilen.
Referenzen
- Beschluss des BVerwG
- https://www.bverwg.de/de/230321B6VR1.21.0
- Pressemitteilung Nr. 48/2021
- https://www.bverwg.de/de/pm/2021/48
Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.