Vereinigtes Königreich

[GB] Maßnahmen der Ofcom gegen britischen Radiosender wegen Corona-Verschwörungstheorien

IRIS 2021-2:1/36

Alexandros K. Antoniou

Universität Essex

Am 7. Dezember 2020 stellte Ofcom, die britische Regulierungsbehörde für den Kommunikationsbereich, fest, dass die Live-Hörfunksendung The Family Programme potenziell schädliche Aussagen zur COVID-19-Pandemie enthielt, ohne die Hörer angemessen zu schützen.

Die Regulierungsbehörde betrachtet derzeit vorrangig Fälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus, bei denen Sendungen möglicherweise dazu beigetragen haben, Fehlinformationen zu verbreiten, oder die irreführendes Material über die Krankheit und die diesbezügliche öffentliche Politik enthalten haben. The Family Programme wird jeden Sonntag auf New Style Radio 98.7 FM ausgestrahlt, einem Community-Hörfunksender, der einen Dienst für die afro-karibischen Einwohner in Birmingham anbietet. Der Lizenznehmer für diesen Dienst ist das Afro-Caribbean Millennium Centre (ACMC).

Während der Sendung wurden mehrere „höchst umstrittene, unbewiesene Verschwörungstheorien über das Coronavirus“ ausgebreitet. In ihrer Entscheidung hob Ofcom kontroverse Behauptungen hervor, das Tragen von Gesichtsmasken könne „schwere neurologische und respiratorische Schäden“ verursachen, sowie Andeutungen, Bill Gates beabsichtige, die Weltbevölkerung zu reduzieren und sieben Milliarden Menschen durch Impfungen zu kennzeichnen und zu kontrollieren. Zum Zeitpunkt der Sendung liefen weltweit Studien am Menschen und klinische Studien zur Entwicklung und zum Einsatz eines wirksamen Impfstoffs, der von Wissenschaftlern und Medizinern (und von der Weltgesundheitsorganisation) als Schlüssel zur Kontrolle und potenziellen Bekämpfung der COVID-19-Pandemie anerkannt wird. Ofcom war besonders besorgt darüber, dass solche unbegründeten Behauptungen den Hörern schaden könnten, indem sie das Vertrauen in jede zukünftige Einführung eines Impfprogramms untergraben.

Der Moderator, Simon Solomon, bezeichnete die Krise als eine orchestrierte „Plan-Demie“, die mit der Einführung von 5G zusammenhänge, und wiederholte während der gesamten Sendung unwidersprochen die Andeutung, dass „die Politik der Regierung und der WHO absichtlich darauf abzielt, Menschen zu töten.“ Ein Großteil der Diskussion drehte sich um ein von der Verschwörungstheoretikerin Claire Edwards verfasstes Material und ein von ihr präsentiertes Video, die beide von Faktenchecker-Initiativen oder vertrauenswürdigen Medienorganisationen widerlegt worden waren. Ofcom äußerte ernsthafte Bedenken, dass solche Behauptungen die Hörer dazu verleiten könnten, die Ratschläge der Behörden und die Abstandsregeln, die zum Schutz der öffentlichen Gesundheit gedacht sind, zu missachten (insbesondere in einer Zeit, in der die Corona-Fälle anstiegen und die Regierung gerade einen zweiten landesweiten Lockdown in England angekündigt hatte).

Die Regulierungsbehörde wies die Einwände des Moderators zurück, er habe die Behauptungen von Claire Edwards nicht bestätigt. Der Moderator habe die schädliche Wirkung potenziell verstärkt, indem er den Inhalten dieser Behauptungen weitere Glaubwürdigkeit verliehen und ihnen zusätzliches Gewicht gegeben habe: „Die Zuhörer wurden nicht im Zweifel daran gelassen, dass der Moderator den Inhalt der Materialien von Frau Edwards unterstützt.“ Das ACMC erkannte die Feststellungen der Aufsichtsbehörde an und erklärte in seiner Antwort, dass es, da Solomon ein „sehr erfahrener“ Moderator sei, „unmöglich hätte vorhersehen können“, dass er eine Sendung mit potenziell schädlichem Material präsentieren würde. Der Lizenznehmer erklärte zudem, die streitige Sendung The Family Programme könne als „Abweichung“ betrachtet werden und stelle eine „Ausnahme“ von seinen normalen hohen professionellen Standards dar.

Bei der Prüfung, ob das ACMC den Zuhörern einen „angemessenen Schutz“ vor diesem potenziell schädlichen Material geboten hatte (wie es Regel 2.1 des Ofcom-Rundfunkkodexes verlangt), entschied Ofcom, dass der vom Moderator zu Beginn der Sendung gegebene Warnhinweis dazu angetan war, den potenziellen Schaden für die Mitglieder der Öffentlichkeit noch zu verstärken: „Anstatt eine Warnung zur unbegründeten und umstrittenen Natur der in der Sendung vorgebrachten Verschwörungstheorien zu geben, verunglimpfte [der Warnhinweis] unserer Ansicht nach Hörer, die diese nicht unterstützen, und säte Zweifel an der Wahrhaftigkeit von Mainstream- und glaubwürdigen Informationsquellen über die Corona-Pandemie.” Darüber hinaus hatte Solomon laut Ofcom höchst umstrittene Behauptungen als eindeutige Fakten dargestellt und die Hörer unkritisch dazu angeleitet, die Sendung als Grundlage für ihre Recherchen zu nutzen.

Ofcom prüfte die Schritte, die das ACMC unternommen hatte, um den möglichen Schaden nach der Ausstrahlung der Sendung zu begrenzen. Dazu gehörten die Absetzung der Sendung und ihres Moderators sowie die Ausstrahlung einer „Sondersendung“ über das Coronavirus, die am 15. November 2020 zur gleichen Zeit wie die ursprüngliche Sendung ausgestrahlt wurde und die „alle [in der ursprünglichen Sendung enthaltenen] Verschwörungstheorien umfassend widerlegte“.

Die Regulierungsbehörde betonte, die Ausstrahlung von Ansichten, die Informationen offizieller Behörden zur öffentlichen Gesundheit in Frage stellen, sei nicht prinzipiell verboten, und erkannte das Recht des Moderators an, strittige Standpunkte zu diskutieren. Dabei müssten Rundfunkveranstalter jedoch die Einhaltung des Kodexes sicherstellen. Trotz der vom Lizenznehmer ergriffenen Maßnahmen war die Regulierungsbehörde der Meinung, es habe keine ausreichenden Maßnahmen gegeben, um sicherzustellen, dass die Hörer vor der Einbindung von „potenziell extrem schädlichem Material“ in diese Sendung geschützt wurden, die zwei Stunden lang „ohne ausreichende Warnungen, Kontext oder Infragestellung während einer öffentlichen Gesundheitskrise“ ausgestrahlt wurde.

Im Ergebnis stellte Ofcom fest, dass New Style Radio einen schweren Verstoß gegen den Rundfunkkodex begangen hat und wies den Sender an, eine Kurzfassung ihrer Entscheidung zu senden. Die Regulierungsbehörde muss noch ein endgültiges Urteil über eine angemessene Sanktion abgeben, die darüber entscheiden könnte, ob Solomon weiterhin als Moderator beim Sender tätig sein wird.


Referenzen


Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.