Ungarn

[HU] Umsetzung der AVMD-Regeln für Video-Sharing-Plattformen in Ungarn

IRIS 2020-7:1/13

Dr Krisztina Nagy

Technische und wirtschaftliche Universität Budapest

Im Mai setzte das ungarische Parlament die neuen Regeln der AVMD-Richtlinie zu Video-Sharing- Plattform-Diensten um. Die neuen Regeln wurden durch ungarische Gesetzgebung in das Gesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr aufgenommen und somit nicht in die Medienordnung, sondern in das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr 2001 eingebettet. Tatsächlich wurde eine Hybridlösung geschaffen, da die Definitionen, zum Beispiel für Plattformen für Video-Sharing-Dienste, in das ungarische Mediengesetz aufgenommen wurden. In Zukunft wird der rechtliche Rahmen für Video-Sharing-Dienste sowohl durch die beiden ungarischen Mediengesetze - Gesetz CIV von 2010 (Smtv.) und Gesetz CLXXXV von 2010 (Mttv.)  - als auch durch das Gesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr bestimmt, wobei Letzteres jedoch von größerer Bedeutung sein wird.

Die Definition eines Video-Sharing-Dienstes gemäß Mttv. entspricht der Definition in der AVMD-Richtlinie. Die Regeln bezüglich der Gerichtsbarkeit wurden in das Gesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr aufgenommen und setzen die detaillierten Bestimmungen der AVMD-Richtlinie um. Das ungarische Recht schreibt vor, dass Anbieter von Video-Sharing-Diensten registriert sein müssen, und legt die erforderlichen Informationen fest, die von den Diensten beim Registrierungsprozess anzugeben sind. Weitere Anforderungen bezüglich der Registrierung wurden gesetzlich nicht festgelegt. Die zuständige Behörde, das Amt der Nationalen Behörde für Medien und Infokommunikation (NMHH), ist befugt, bei Verstößen gegen die Registrierungsvorschriften Geldbußen bis zu 10 Millionen Ungarischen Forint (HUF) (ca. EUR 30.000) zu verhängen.

Das Gesetz verpflichtet die Anbieter von Video-Sharing-Plattformen, den Schutz der Interessen, wie in Art. 28b Abs. 1 lit. (a)-(c) der AVMD-Richtlinie beschrieben, durch geeignete Maßnahmen und technische Lösungen zu gewährleisten; diese müssen in den Geschäftsbedingungen der Diensteanbieter genannt sein. Die detailliertesten Regeln unter den oben genannten Punkten sind die Kinderschutzbestimmungen. Dienstanbieter sind verpflichtet, Altersverifikationssysteme und elterliche Kontrollsysteme für Inhalte, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, einzurichten und zu betreiben. Die Bestimmung ist allgemein gehalten, was den Diensteanbietern weitreichende Möglichkeiten gibt, über die zu treffenden Maßnahmen zu entscheiden. Die Behörde ist befugt, zur Orientierung der Dienste eine Empfehlung über bewährte Praktiken zu veröffentlichen. Das Gesetz verpflichtet Dienste ebenfalls zur Einrichtung von Funktionen, die angemessene Informationen über Inhalte bereitstellen, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können. Darüber hinaus sind Dienste verpflichtet, transparente und benutzerfreundliche Mechanismen einzurichten, die es den Nutzern ermöglichen, Inhalte, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, dem betreffenden Anbieter der Video-Sharing-Plattform zu melden oder zu kennzeichnen. Video-Sharing-Plattformen müssen Verfahren für die Bearbeitung und Regelung von Nutzerbeschwerden festlegen.

Die Gesetzgebung erweitert den Umfang der in Art. 28b Abs. 1 lit. (a)-(c) definierten geschützten Interessen um Menschenwürde und Straftaten nach ungarischem Recht. Dennoch wurden weniger Regeln für Inhalte eingeführt, die Hassreden, Verstöße gegen die Menschenwürde oder Straftaten beinhalten. Neben der Aufnahme dieser Bestimmungen in ihre Geschäftsbedingungen müssen die Diensteanbieter Mechanismen einführen, die es Nutzern ermöglichen, solche Inhalte dem Anbieter der Video-Sharing-Plattform zu melden oder zu kennzeichnen. Video-Sharing-Plattform-Dienste sind verpflichtet, transparente Informationen über die Verfahren zur Bearbeitung und Regelung von Nutzerbeschwerden bereitzustellen.

In Bezug auf audiovisuelle kommerzielle Kommunikation auf den Plattformen sind die allgemeinen medienrechtlichen Bestimmungen des Smtv. zu befolgen. Diese Regeln sind in die Geschäftsbedingungen der Diensteanbieter aufzunehmen, und Dienste müssen Nutzern, die nutzergenerierte Videos hochladen, die Möglichkeit geben zu erklären, ob diese Videos audiovisuelle kommerzielle Kommunikationen enthalten. Hierzu müssen die Plattformen ein Meldesystem für schädliche Inhalte sicherstellen und ein transparentes System für den Einhaltungsprozess betreiben. Das Gesetz legt keine weiteren Regeln zur Durchsetzung der Bestimmungen der Medienordnung fest, das heißt es gibt keine speziellen Regeln für eine strengere Durchsetzung der Haftung des Anbieters.

Für die Maßnahmen und Tools zur Medienkompetenz, die Plattformen den Nutzern zur Verfügung stellen müssen, wurden keine detaillierten Regeln festgelegt.

Interessanterweise beauftragt das Gesetz nicht die ungarische Medienbehörde Médiatanács (Medienrat), die neuen Regeln durchzusetzen, sondern das Hivatal (Amt) der integrierten Regulierungsbehörde Nemzeti Média és Hírközlési Hatóság (Nationale Behörde für Medien und Infokommunikation). Das Problem bei dieser Lösung besteht darin, dass Anforderungen, die gewährleisten könnten, dass eine Regulierungsbehörde funktionell und effektiv unabhängig von der Regierung ist an den Medienrat und nicht an das Amt  gestellt werden. Das Amt ist ein traditionelles Verwaltungsorgan, das nicht über die entsprechenden Garantien für das vom AVMD geforderte Maß an Unabhängigkeit verfügt Im Falle eines von einer Plattform begangenen Verstoßes kann das Amt ähnliche Sanktionen anwenden, wie sie der Medienrat in anderen Fällen anwendet, einschließlich der Verhängung von Geldbußen bis zu HUF 100 Millionen (ca. EUR 300.000).

Die Bestimmungen der AVMD-Richtlinie zur Forcierung von Koregulierung sind in den Rahmen des 2010 eingerichteten Koregulierungssystems der ungarischen Medienordnung eingebettet. Das Gesetz enthält sehr detaillierte Regelungen zum Rahmen der Zusammenarbeit zwischen dem Amt und den Selbstregulierungsgremien oder alternativen Streitbeilegungsstellen der Video-Sharing-Plattformen. Diese Lösung scheint die Intention der AVMD-Richtlinie widerzuspiegeln; angesichts der Tatsache, dass die Effizienz des bestehenden Koregulierungssystems in der Medienlandschaft in den letzten zehn Jahren ernsthafte Zweifel hervorgerufen hat, ergeben sich jedoch viele Fragen.

Alles in allem legt die neue ungarische Regelung zu Video-Sharing-Plattform-Diensten in geringem Maße strengere Regeln als die AVMD-Richtlinie fest und bietet Spielraum für Video-Sharing-Dienste, geeignete Maßnahmen zur Einhaltung der Regeln zu schaffen. Sie ermächtigt das Amt jedoch weitgehend, die Rechtmäßigkeit der von den Plattformen ergriffenen Maßnahmen zu beurteilen. Das Gesetz führt notwendige Mechanismen zur Beurteilung der Angemessenheit der Maßnahmen der Plattformen nicht näher aus.


Referenzen

  • 2020. évi XXIV. törvény az elektronikus kereskedelmi szolgáltatások, valamint az információs társadalommal összefüggő szolgáltatások egyes kérdéseiről szóló 2001. évi CVIII. törvény módosításáróL  
  • http://njt.hu/cgi_bin/njt_doc.cgi?docid=219480.382963
  • Änderungsgesetz XXIV von 2020 zum Gesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr CVIII 2001.

Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.