Italien
[IT] Gericht Rom verurteilt Vimeo wegen Urheberrechtsverletzung
IRIS 2019-3:1/20
Ernesto Apa & Marco Bassini
Portolano Cavallo & Bocconi University
Am 10. Januar 2018 fällte das Gericht Rom ein weiteres Urteil in der andauernden Diskussion um die Haftung von Internetdiensteanbietern für rechtswidrige Inhalte und Aktivitäten Dritter. Das Gericht verurteilte Vimeo zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von EUR 8,5 Millionen an den nationalen Rundfunkveranstalter RTI wegen mehrfacher Urheberrechtsverletzungen an dessen audiovisuellen Inhalten auf der Vimeo-Plattform.
Das Gericht kam zu diesem Schluss, indem es die strittige Einstufung moderner Hostinganbieter als eher aktive denn als passive Betreiber als eine Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Haftungsausschlüsse wertete, die per Verordnung mit Gesetzeskraft Nr. 70/2003 (im Folgenden auch „E-Commerce-Verordnung“) festgelegt wurden, welche die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (Richtlinie 2000/31/EG) in italienisches Recht umsetzt.
Italienische Gerichte haben gegenüber dem Rechtsmodell für Hostinganbieter kontroverse Standpunkte eingenommen. Einige Gerichte (insbesondere das Gericht Mailand und das Gericht Turin) waren der Auffassung, Elemente wie die Organisation von Inhalten oder die Einrichtung interner Suchmaschinen durch ISP implizierten nicht das Vorliegen redaktioneller Tätigkeit, daher gebe es keinen Grund für eine Ausnahme von den Haftungsausschlüssen nach der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr. Andere Gerichte (insbesondere das Gericht Rom) haben sich hingegen einen anderen Ansatz zu eigen gemacht und betrachten ISP als aktive Anbieter, das heißt als Anbieter, die gegenüber Drittinhalten „sensibler“ sind, mit einem begrenzten Anspruch auf Haftungsausschluss.
In der Rechtssache RTI gegen Vimeo hat sich das Gericht Rom an letztere Sichtweise hinsichtlich der von Vimeo gespielten Rolle gehalten. Das Unternehmen erfülle die Bedingungen, um als aktiver Anbieter zu gelten. Nach Ansicht des Gerichts Rom (und in Übereinstimmung mit seiner früheren Rechtsprechung) bietet die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr ISP Haftungsausschlüsse grundsätzlich aufgrund der Annahme, dass der betriebene Dienst lediglich technischer, passiver und neutraler Art ist. Werden diese Merkmale von einem ISP nicht mehr erfüllt, kann er nicht mehr die gleiche Haftungsbefreiung wie passive ISP beanspruchen.
Laut dem Gericht Rom ging der von Vimeo angebotene Dienst weit über die einfache Verarbeitung von Inhalten, die von Nutzern hochgeladen wurden, hinaus. In seiner Schlussfolgerung berücksichtigte das Gericht unterschiedliche Faktoren, unter anderem das Erfordernis, dass Nutzer sich registrieren müssen, um Mitglied der Community zu werden, die Einrichtung einer internen Suchmaschine, die Tatsache, dass die von Nutzern hochgeladenen Inhalte organisiert, indiziert und kategorisiert wurden, sowie das Anzeigen von Werbung, deren Inhalt zum Beispiel die Schlüsselwörter widerspiegelt, die verwendet wurden, um bestimmte Videos zu finden.
Das Gericht Rom kam somit zu dem Schluss, die von Vimeo ausgeführten Handlungen dienten nicht lediglich dazu, die Verwaltung der Inhalte effizienter zu gestalten, sondern sollten Vimeo eine gewisse Kontrolle über diese Inhalte und Kenntnis dieser Inhalte verschaffen.
Diese Feststellungen waren nach Ansicht des Gerichts ausreichend, um die Anwendung des Haftungsausschlusses auszunehmen, nicht jedoch, um von Vimeo ein Vorabmonitoring der Inhalte zu verlangen.
Um festzustellen, ob der Anbieter für die von RTI geltend gemachten Urheberrechtsverletzungen verantwortlich war, konzentrierte sich das Gericht darauf, ob davon auszugehen war, dass Vimeo vom illegalen Inhalt Kenntnis hatte. In diesem speziellen Fall wurde Vimeo eine allgemeine Anzeige mit Nennung nur einer URL als ein Beispiel für einen von vielen anderen Inhalten vorgelegt, die eine Verletzung darstellten. In Bezug auf die anderen Inhalte, zu denen RTI nicht genehmigte Veröffentlichung geltend machte, hatte Vimeo jedoch keine spezifische Anfrage erhalten. Der Detaillierungsgrad von Anzeigen, der erforderlich ist, um eine Pflicht zur Entfernung von Inhalten auszulösen, ist ein weiterer strittiger Punkt in der Rechtsprechung italienischer Gerichte. Das Gericht Rom befand, dass trotz Fehlens eines spezifischen und analytischen Verweises auf alle URL der Inhalte, zu denen RTI eine Urheberrechtsverletzung geltend machte, die besagte Anzeige nichtsdestoweniger ausreichend gewesen sei, um Vimeo zu den erforderlichen Handlungen zu verpflichten. Die von Vimeo installierten Techniken auf der Grundlage von Video-Fingerprinting hätten es ermöglicht, sowohl die für rechtswidrig befundenen Inhalte zu entfernen (ex post) als auch die Veröffentlichung rechtswidriger Inhalte von vornherein zu verhindern (ex ante). Da Vimeo diese Techniken bekannt und vertraut gewesen seien, könne man vernünftigerweise erwarten, dass unter den speziellen Umständen des Falls selbst eine allgemeine Anzeige eine Pflicht des ISP auslösen könne, die erforderlichen Kontrollmaßnahmen zu ergreifen. Das Gericht Rom unterstellte daher, dass unbeschadet eines Fehlens einer allgemeinen Monitoringpflicht ein aktiver Anbieter, welcher solche Funktionen umsetzt, mutmaßlich illegale Inhalte aufzuspüren und zu entfernen hat; die Unterlassung führt zur Haftung des ISP, da er nicht umgehend gehandelt hat, um die beanstandeten Verstöße zu beenden.
Referenzen
- Tribunale di Roma, sez. XVII civile, 10 gennaio 2019, n. 623
- http://www.medialaws.eu/wp-content/uploads/2019/02/Trib.-Roma-Vimeo.pdf
- Tribunale di Roma, sez. XVII civile, 10. Januar 2019, Nr. 623
Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.