Frankreich
Generalanwalt: Schlussanträge in der Rechtssache France Télévisions gegen Playmedia
IRIS 2018-8:1/6
Amélie Blocman
Légipresse
Die Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks France Télévisions sind gemäß Artikel 34 Absatz 2 des Gesetzes über die Kommunikationsfreiheit verpflichtet, bestimmte Programme auszustrahlen. Das Fernsehprogramm von France Télévisions kann sowohl terrestrisch als auch über das Internet empfangen werden. Playmédia betreibt eine Webseite, über die das Unternehmen mehrere Fernsehprogramme in Echtzeit ausstrahlt, auch Sendungen von France Télévisions. Der Zugang zu dieser Seite ist nicht kostenpflichtig, da Playmédia sein Angebot über Werbung finanziert. Nachdem Playmédia vergeblich versucht hatte, einen Vertrag mit France Télévisions über die Verbreitung der Programme zu erhalten, hat der Streaming-Anbieter France Télévisions verklagt mit der Begründung der Must-Carry-Verpflichtung des Senders. Daraufhin klagte France Télévision gegen Playmedia wegen Verletzung des Rechts auf geistiges Eigentum. Parallel zu dem Rechtsweg wandte sich Playmédia an den Conseil supérieur de l’audiovisuel (CSA), der im Mai 2015 France TV förmlich aufforderte, nichts gegen die Wiederaufnahme seiner Dienste auf dieser Seite zu unternehmen. Der Staatsrat, bei dem eine Aufhebungsklage der öffentlich-rechtlichen Sendergruppe gegen diese Entscheidung eingegangen war, hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Zunächst wollte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Streaming-Anbieter, der Fernsehprogramme über das Internet verbreitet, im Sinne von Artikel 31 Absatz 1 Richtlinie 2002/22/EG („Universaldienst-Richtlinie“) als ein Unternehmen anzusehen ist, das für die „öffentliche Verbreitung von Hör- und Fernsehrundfunkdiensten genutzte elektronische Kommunikationsnetze betreibt“. Generalanwalt M. Szpunar verneinte dies in seinem Schlussantrag mit der Begründung, dass ein Unternehmen, das über das Internet Fernsehprogramme anbietet, kein elektronisches Kommunikationsnetz betreibe, sondern seinen Nutzern Inhalte über ein solches Netz anbiete (in diesem Fall über das Internet). Daher handle es sich bei Playmedia nicht um einen Anbieter eines solchen Netzes, sondern um einen Nutzer. Playmédia, so der Generalanwalt, behaupte also zu Unrecht, ein elektronisches Kommunikationsnetz zu betreiben.
Anschließend untersuchte M. Szpunar die Vereinbarkeit der Must-Carry-Verpflichtungen (Übertragungspflichten) und der Must-Offer-Pflichten (denen Fernsehsender unterliegen), um festzustellen, ob die Richtlinie 2002/22 oder eine andere Rechtsvorschrift der Europäischen Union der Absicht eines Mitgliedstaats entgegensteht, Unternehmen, die nicht unter Artikel 31 dieser Richtlinie fallen und die Fernsehprogramme über das Internet anbieten, eine Übertragungspflicht aufzuerlegen. Diese Pflicht ist begleitet von der gegenseitigen Verpflichtung für die betreffenden Fernsehgesellschaften, sich nicht dieser Verbreitung zu widersetzen. Nebenbei weist der Generalanwalt vor allem darauf hin, dass der Gerichtshof der Union natürlich nicht für die Auslegung des Rechts der Mitgliedstaaten zuständig sei, dass Artikel 34 Absatz 2 des Gesetzes über die Freiheit der Kommunikation aber die Weiterübertragung von auf terrestrischem Wege übertragenen Programmen zu fordern scheine, während Playmédia sich darauf beschränke, einen Link zu der Internet-Seite von France Télévisions anzubieten. Er weist auch darauf hin, dass das Urheberrecht ein Hindernis für die Umsetzung der Übertragungspflichten darstellen kann und dass dieses Problem bei der Festlegung und Umsetzung dieser Verpflichtungen berücksichtigt werden müsse. Außerdem ist er der Meinung, dass eine Übertragungspflicht auf der Grundlage von Internet-Links juristisch nicht tragfähig sei. Der Generalanwalt beantwortet daher die Frage des Gerichts mit der Schlussfolgerung, dass die Richtlinie 2002/22 nicht der Übertragungspflicht für bestimmte Fernsehprogramme entgegensteht. Eine solche Pflicht müsse allerdings einem allgemeinen Interesse entsprechen, also etwa dazu beitragen, die Programmvielfalt auf dem Gebiet eines Mitgliedstaats aufrechtzuerhalten, und müsse in einem angemessenen Verhältnis zu diesem Ziel stehen. Dies setze voraus, dass die Anwendungsmodalitäten transparent sind, sich auf objektive Kriterien stützen müssen, nicht diskriminierend sein dürfen und vorab bekannt sein müssen. Die Prüfung dieser Bedingungen ist Aufgabe der nationalen Gerichte. Außerdem müssten die Unternehmen vor der Ausstrahlung die Zustimmung der Inhaber der Urheberrechte oder verwandter Schutzrechte einholen. Als Antwort auf die letzte Frage präzisiert der Generalanwalt, dass ein Mitgliedstaat, der eine Übertragungspflicht außerhalb des Artikels 31 der Richtlinie 2002/22 auferlegt, nicht an die Bedingungen gebunden ist, denen eine Übertragungspflicht gemäß diesem Artikel entsprechen muss.
Bevor der Staatsrat und das Berufungsgericht ihr abschließendes Urteil in diesem Rechtsstreit sprechen können, muss erst noch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union abgewartet werden.
Referenzen
- Conclusions de l’avocat général M. Szpunar, affaire C-298/17, France Télévisions c/ Playmédia, présentées le 5 juillet 2018
- https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A62017CC0298
- Schlussanträge des Generalanwalts M. Szpunar, Rechtssache C-298/17, France Télévisions gegen Playmédia, vom 5. Juli 2018
Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.