Schweiz

[CH] Bundesrat gegen Einführung des Folgerechts

IRIS 2016-7:1/10

Patrice Aubry

Westschweizer Fernsehen und Radio, Genf

Mit dem sogenannten Folgerecht werden die bildenden Künstlerinnen und Künstler am Erlös aus dem Weiterverkauf ihrer Werke durch den Kunsthandel beteiligt. Das Folgerecht ist in Artikel 14ter der am 24. Juli 1971 in Paris revidierten Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst verankert. 77 Länder haben das Folgerecht eingeführt, hauptsächlich Länder aus Europa und Süd- und Mittelamerika. Die USA und China, zwei der größten Kunsthandelsplätze, hingegen verfügen über kein Folgerecht. Es steht den Mitgliedstaaten der Berner Übereinkunft frei, das Folgerecht einzuführen oder nicht und es im Falle einer Einführung inhaltlich auszugestalten. In der Schweiz gab es bereits verschiedene erfolglose politische Vorstöße zur Einführung eines Folgerechts. Doch weder in der Totalrevision des Bundesgesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (URG) von 1992 noch in der Teilrevision des URG von 2008 fand das Folgerecht Eingang.

Mit Postulat vom 5. Dezember 2013 forderte Ständerat Luginbühl den Bundesrat auf, Maßnahmen aufzuzeigen, die es den schweizerischen bildenden Künstlerinnen und Künstlern beim Weiterverkauf ihrer Werke durch den Kunsthandel ermöglichen sollen, einen prozentualen Anteil am Erlös des Weiterverkaufs zu erhalten. Die Befürworter des Folgerechts verfolgen drei Hauptziele: wirtschaftliche Besserstellung der Kunstschaffenden durch Teilhabe an den Folgeverkäufen ihrer Werke, generelle Unterstützung der Kunstschaffenden durch Zuweisung eines Teils oder der gesamten Folgerechtsvergütungen an einen Sozial- oder Kulturfonds für bildende Künstler und gesellschaftliche Anerkennung der Kunstschaffenden.

Nach Analyse der Möglichkeiten der inhaltlichen Ausgestaltung und der Voraussetzungen für die Einführung eines Folgerechts sowie nach Darlegung der internationalen Lage setzte sich der Bundesrat mit den zu erwartenden wirtschaftlichen Auswirkungen eines Folgerechts auseinander. Größenmäßig ist der Schweizer Kunstmarkt der sechstgrößte weltweit. Der Umsatz des Kunsthandels in der Schweiz lag 2014 bei rund 816 Mio. Euro, somit bei 1,6 % (51 Milliarden Euro) des Umsatzes des weltweiten Kunsthandels. Der Umsatz bei urheberrechtlich geschützten Werken lag bei rund 680 Mio. Euro. Der Bundesrat schätzt die anfallenden Folgerechtsvergütungen in der Schweiz auf mindestens 1,8 Mio. Euro. Gleichzeitig geht er davon aus, dass weniger als 10 % der Schweizer Künstler und ihrer Rechteinhaber ihre Werke auf dem Sekundärmarkt verkaufen. Da zudem 80 % der Verkäufe auf dem Sekundärmarkt erst nach dem Tod der jeweiligen Künstler erfolgen, würde somit ein beträchtlicher Teil der Einnahmen aus dem Folgerecht an die Rechtsnachfolger der Künstler, nicht aber an die Künstler selber gehen. Und schließlich sei davon auszugehen, dass ein beträchtlicher Teil des Folgerechtsertrags ins Ausland abfließe, ohne dass vergleichbare Erträge aus dem Ausland in die Schweiz überwiesen würden.

In seinem Bericht verweist der Bundesrat zudem darauf, dass die Einführung eines Folgerechts zwei mögliche Folgen haben könnte. Zum einen befürchtet er, dass sich das Folgerecht bei den Künstlern, inbesondere bei noch unbekannten Künstlern, in niedrigeren Erstverkaufspreisen niederschlägt, da die Investoren auf einen Teil ihres Gewinns verzichten müssten, den sie in Form der Folgerechtsabgabe an diejenigen Künstler abgeben müssten, deren Werke bereits auf dem Sekundärmarkt gehandelt werden. Zum anderen könnten die bei einem Verkauf anfallenden Gebühren die Verkäufer dazu veranlassen, den Verkauf in Länder mit geringeren Transaktionskosten zu verlagern.

Der Bundesrat schließt daraus, dass die mit dem Folgerecht angestrebten Ziele nicht erreicht werden können und dass nur sehr wenige Personen von einer solchen Regelung profitieren würden. Angesichts der CHF 2,7 Milliarden (rund 2,4 Miliarden Euro), die die Schweiz jährlich an Gesamtkulturförderung leistet, würden die geschätzten Einnahmen aus dem Folgerecht nur einen Bruchteil darstellen und damit keinen Beitrag zur spürbaren Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Künstler leisten. Auch sei unklar, wie sich das Folgerecht auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Kunsthandelsplatzes auswirke und in welchem Umfang es zu Verlagerungen in Länder ohne Folgerecht komme.

Vor diesem Hintergrund ist der Bundesrat der Ansicht, dass bis auf Weiteres auf eine Einführung des Folgerechts verzichtet werden soll. Gleichzeitig sollen die Erfahrungen in den anderen Staaten sowie die Entwicklungen auf internationaler Ebene jedoch weiterverfolgt werden. Der Bundesrat schließt somit nicht aus, dass er die Situation zu einem späteren Zeitpunkt neu beurteilen wird.


Referenzen


Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.