Österreich
Gerichtshof der Europäischen Union: Austro-Mechana gegen Amazon EU und andere
IRIS 2016-7:1/4
Ronan Ó Fathaigh
Institut für Informationsrecht (IViR), Universität Amsterdam
Am 21. April 2016 hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGh) sein Urteil in der Rechtssache Austro-Mechana gegen Amazon EU und andere (Rechtssache C-572/14) verkündet. In der Rechtssache ging es um die Frage, ob österreichische Gerichte für ein Verfahren zuständig sind, bei dem eine österreichische Verwertungsgesellschaft von Amazon EU eine Vergütung für Trägermaterial nach dem österreichischen Urheberrechtsgesetz fordert (siehe IRIS 2013-9/3 zu einem damit zusammenhängenden Urteil).
Nach § 42b des österreichischen Urheberrechtsgesetzes (UrhG) müssen Personen, die „als Erste” solche Geräte (Vervielfältigungsgeräte) in Verkehr bringen, dem Urheber bestimmter Werke eine „angemessene Vergütung“ leisten. Das Gesetz sieht auch vor, dass solche Vergütungsansprüche „nur“ von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden können. Austro-Mechana ist eine österreichische Verwertungsgesellschaft, welche die angemessene Vergütung gemäß § 42b UrhG einzieht. Bei Amazon handelt es sich um einen bekannten internationalen Konzern, der Bücher, Musik und andere Produkte über das Internet verkauft. Von den fünf Unternehmensgruppen, die in dem Verfahren aufgeführt werden (Amazon EU Sàrl, Amazon Services Europe Sàrl, Amazon.de GmbH, Amazon Logistik GmbH, Amazon Media Sàrl), unterliegen drei luxemburgischem Recht und haben ihren Sitz in Luxemburg, zwei unterliegen deutschem Recht und haben ihren Sitz in Deutschland.
Die Klage von Austro-Mechana gegen Amazon EU bezog sich auf eine „angemessene Vergütung” nach dem UrhG. Amazon verkaufte Trägermaterial in Österreich, das in Mobiltelefone eingebaut wurde und für die Vervielfältigung von Musik geeignet war. Austro-Mechana argumentierte, dass österreichische Gerichte nach Artikel 5 Abs. 3 der EU-Verordnung Nr. 44/2001 zuständig waren. Art. 5 Abs. 3 sieht vor, dass eine Person mit Wohnsitz in einem bestimmten Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat gerichtlich belangt werden kann, „wenn eine unerlaubte Handlung oder einer solchen gleichgestellte Handlung“ vorliegt, d.h., „vor dem Gericht des Ortes, an dem der Schaden eingetreten ist oder einzutreten droht“ (siehe IRIS 2013-10/4).
Der Rechtsstreit ging bis zum Obersten Gerichtshof Österreichs, der beschloss, das Verfahren auszusetzen und dem EuGh folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen: „Ist der Anspruch auf Zahlung eines „gerechten Ausgleichs“ nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29, der sich nach österreichischem Recht gegen Unternehmen richtet, die Trägermaterial im Inland als Erste gewerbsmäßig entgeltlich in Verkehr bringen, ein Anspruch aus „unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“ im Sinne von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001?“ Der EuGh musste daher prüfen, ob die Klage von Austro-Mechana sich auf eine „unerlaubte Handlung oder eine Handlung [bezieht], die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist” im Sinne von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001. Dies ist eine Ausnahme von dem in Art. 2 Abs. 1 aufgestellten tragenden Grundsatz, der die „Zuständigkeit den Gerichten des Mitgliedsstaates zuweist, in deren Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat“.
Als erstes stellte der Gerichtshof fest, dass Art. 5 Nr. 3 eine „besondere Zuständigkeit“ vorsieht. So kann „eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat, in einem anderen Mitgliedsstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“. Dahinter steht die Überlegung, dass bei unerlaubten Handlungen oder Handlungen, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt sind, „das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, insbesondere wegen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisaufnahme in der Regel am besten in der Lage ist, den Rechtsstreit zu entscheiden“.
Anschließend stellte das Gericht fest, dass der Begriff „unerlaubte Handlung“ oder eine „Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“, sich „auf jede Klage” bezieht, „mit der eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht werden soll und die nicht an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ anknüpft”. Danach entschied das Gericht, dass die Klage sich nicht auf den Abschluss eines Vertrags bezog. In einem weiteren Schritt prüfte das Gericht, ob mit einer Klage „eine Schadenshaftung des Beklagten“ geltend gemacht werden soll. Das ist der Fall, wenn dem Beklagten ein „schädigendes Ereignis im Sinne von Art. 5 Nr. 3 zugerechnet werden kann. Das Gericht stellte fest, dass eine Haftung aus unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, „nur in Betracht kommt, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schaden und dem diesem zugrunde liegenden Ereignis feststellbar ist.“
Der europäische Gerichtshof stellte fest, dass in dem vorliegenden Fall die Klage von Austro-Mechana auf Ersatz des Schadens gerichtet ist, der dadurch entstanden ist, dass Amazon die in § 42b UrhG vorgesehene Vergütung nicht gezahlt hat. Der EuGh wies darauf hin, dass der „gerechte Ausgleich” im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die „Urheber für ohne ihre Erlaubnis angefertigte Privatkopien ihrer geschützten Werke entschädigen soll, so dass er als Leistung im Gegenzug für den Schaden anzusehen ist, der den Urhebern durch solche von ihnen nicht erlaubte Kopien entstehen.” Daher, so das Gericht, stellt der Umstand, dass Austro-Mechana die in § 42b UrhG vorgesehene Vergütung nicht erhalten hat, ein schädigendes Ereignis im Sinne von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dar. Es sei „ohne Belang”, dass dieser gerechte Ausgleich im Rahmen der österreichischen Regelung über seine Finanzierung nicht an die Inhaber eines ausschließlichen Vervielfältigungsrechts, die er entschädigen soll, zu zahlen ist, sondern an eine Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte. Mit der Klage von Austro-Mechana solle die Schadenshaftung eines Beklagten geltend gemacht werden, denn die Klage stütze sich auf einen Verstoß von Amazon gegen die Bestimmungen des Urheberrechts, die diese Zahlungspflicht normieren, und der Verstoß stelle eine rechtswidrige Handlung dar, die Austro-Mechana einen Schaden verursacht habe.
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die österreichischen Gerichte für die Entscheidung über die Klage von Austro-Mechana zuständig sind, wenn das im Ausgangsverfahren in Rede stehende schädigende Ereignis in Österreich eingetreten ist oder einzutreten droht. Dies müsse vom vorlegenden Gericht überprüft werden.
Referenzen
- Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) in der Rechtssache C572/14 Austro-Mechana Gesellschaft zur Wahrnehmung mechanisch-musikalischer Urheberrechte GmbH gegen Amazon EU Sàrl, 21. April 2016
- http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=176804&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=942550
Verknüpfte Artikel
Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.