Griechenland

[GR] Auseinandersetzung über die Anwendung des Gesetzes über die Lizenzvergabe für digitales Fernsehen eskaliert

IRIS 2016-5:1/20

Alexandros Economou

Nationaler Hörfunk- und Fernsehrat

Nachdem die Ernennung neuer Mitglieder der Regulierungsbehörde Ethniko Symvoulio Radiotileorasis (Nationaler Hörfunk- und Fernsehrat  - ESR) im Februar 2016 gescheitert war, ist in Griechenland ein politischer Streit über die Lizenzvergabe für digitales terrestrisches Fernsehen entbrannt. Gemäß Gesetz 3439/2015 muss der ESR zunächst dem zuständigen Minister einen Vorschlag über Zahl und Art der Lizenzen vorlegen, die vergeben werden sollen, und über den Startpreis bei der Auktion. Anschließend muss das Auktionsverfahren durchgeführt werden, und erst dann dürfen die Lizenzen vergeben werden (siehe IRIS 2016-1/16). Bisher konnte jedoch noch keine Einigung über die Ernennung der ESR-Mitglieder erzielt werden. Dazu ist eine 4/5 Mehrheit eines speziellen parlamentarischen Gremiums erforderlich, das aus  23 Mitgliedern besteht, der Diaskepsi ton Proedron (Konferenz der Präsidenten). Die Oppositionsparteien weigerten sich, dem Vorschlag des Parlamentspräsidenten zuzustimmen und forderten eine Änderung von Gesetz 3439/2015, damit die Regulierungsbehörde die ausschließliche Entscheidungsbefugnis über alle Aspekte des Lizenzverfahrens erhält.

Um einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden, beschloss die Regierung, dass der ESR bei der ersten Anwendung des Gesetzes außen vor bleiben solle, und verabschiedete neue Gesetze, die vorsehen, dass die Entscheidung über die Zahl der Lizenzen vom Parlament getroffen wird, dass der Auktionspreis in einer gemeinsamen Entscheidung des zuständigen Ministers und des Finanzministers festgelegt werden solle und dass das Auktionsverfahren von den Dienststellen der Ministerien durchgeführt werden solle. Diese neuen Texte werden jedoch von Verfassungsrechtlern in Frage gestellt. Sie befürchten, dass diese Texte im Widerspruch zu Artikel 15 Absatz 2 der griechischen Verfassung stehen. Dieser Artikel legt fest, dass die ESR die zuständige Behörde für die Vergabe von Lizenzen an Radio- und Fernsehveranstalter ist.

Gemäß einer anderen Entschließung, die vom Parlament verabschiedet wurde (im Anschluss an die Schlussfolgerungen aus einer Studie, die vom Europäischen Hochschulinstitut in Florenz durchgeführt worden war), wird eine öffentliche Versteigerung für vier Lizenzen allgemeinen Inhalts und für landesweite Sender im HD-Standard durchgeführt. Diese Entscheidung wurde von den Oppositionsparteien heftig kritisiert, ebenso von acht privaten landesweiten Fernsehsendern, die technische Argumente zugunsten der bisherigen Praxis vorbrachten. Dies hat dazu geführt, dass der ESR noch immer ohne Vorstand ist (und zwar seit Oktober 2015 - siehe IRIS 2016-1/16) und daher seinen Verpflichtungen nicht nachkommen kann. Gleichzeitig schicken sich die Anbieter von audiovisuellen Mediendiensten an, das Lizenzvergabeverfahren zu blockieren. Sie ergreifen alle notwendigen rechtlichen Maßnahmen vor den zuständigen Gerichten, um die Ausschreibung, die von der Regierung in den kommenden Tagen veröffentlicht werden soll, zu annullieren.


Referenzen



Verknüpfte Artikel

IRIS 2016-1:1/16 [GR] Neue gesetzliche Regulierung der Lizenzvergabe an Inhalteanbieter für terrestrisches Digitalfernsehen

Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.