Frankreich
Gerichtshof der Europäischen Union: „Telekom-Steuer“ als Ausgleich für den Wegfall der Werbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen für rechtens erklärt
IRIS 2013-7:1/3
Amélie Blocman
Légipresse
Am 27. Juni 2013 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Telekom-Steuer für rechtens erklärt. Zur Begründung führte er an, die Richtlinie 2002/20/EG (so genannte Genehmigungsrichtlinie) schränke die Befugnis der Mitgliedstaaten nicht ein, Sonderabgaben für die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsdienste, bei denen es sich nicht um Verwaltungsabgaben handele, zu erheben. Im Januar 2010 hatte die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich eingeleitet. Sie beanstandete die per Gesetz vom 5. März 2009 den Betreibern von Telekommunikationsdiensten auferlegte Abgabe in Höhe von 0,9 % ihres Umsatzes (Artikel 302 bis KH des Code général des impôts - Steuerordnung), mit der der Wegfall der Fernsehwerbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr ausgeglichen werden soll (siehe IRIS 2009-9/4). Nachdem Frankreich keine Bereitschaft zum Einlenken zeigte, erhob die Kommission im März 2011 Klage vor dem EuGH.
Die Kommission vertrat die Meinung, die Telekom-Steuer verstoße gegen Artikel 12 der Richtlinie 2002/20/EG, insofern sie eine Verwaltungsabgabe darstelle, die auf tätigkeits- bzw. umsatzbezogenen Kriterien basiere, sich jedoch nicht an den tatsächlichen Kosten für das Genehmigungsverfahren orientiere. Anders als in der Richtlinie gefordert, diene die Abgabe zudem nicht der Finanzierung der Arbeit der nationalen Regulierungsbehörde. Frankreich brachte zu seiner Verteidigung vor, besagter Artikel 12 beziehe sich nur auf die Abgaben, die mit den Kosten für das Genehmigungsverfahren in Zusammenhang ständen. Da die strittige Abgabe jedoch nicht zur Deckung solcher Verwaltungskosten erhoben werde, falle sie nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung. In seinem Urteil verwies das Gericht darauf, dass die von der Richtlinie betroffenen Verwaltungsabgaben Entgeltcharakter hätten und allein der Deckung der Verwaltungskosten für die Ausstellung, Verwaltung, Kontrolle und Durchsetzung von Allgemeingenehmigungen im Bereich der elektronischen Kommunikation dienten. Eine Abgabe, die im Zusammenhang mit einer Allgemeingenehmigung erhoben werde, mit der also der Zugang zum Markt für elektronische Kommunikationsdienste ermöglicht werde, stelle eine Verwaltungsabgabe im Sinne der Genehmigungsrichtlinie dar und könne ausschließlich unter den in der Richtlinie genannten Voraussetzungen erhoben werden. Das Gericht kam jedoch auch zu dem Schluss, dass die strittige Abgabe weder im Zusammenhang mit einer Allgemeingenehmigung zur Bereitstellung eines elektronischen Kommunikationsdienstes, noch zur Gewährung von Nutzungsrechten für Nummern und Funkfrequenzen erhoben werde. Die Abgabe stehe vielmehr im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Betreiber, die darin bestehe, für die Endnutzer in Frankreich elektronische Kommunikationsdienste bereitzustellen. Die strittige Abgabe sei somit keine Verwaltungsabgabe im Sinne der Genehmigungsrichtlinie und falle auch nicht in ihren Anwendungsbereich. Infolgedessen wies der Gerichtshof die von der Kommission eingereichte Klage ab.
Infolge dieses Urteils, das Frankreich vor einem jährlichen finanziellen Verlust von nahezu EUR 250 Mio. bewahrt, dürfte es der Regierung nun möglich sein, die Reform zur Finanzierung von France Télévisions ohne den bisherigen politischen Druck anzugehen. „Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen audiovisuellen Sektors ist gesichert“, erklärten die Minister für Kultur, Wirtschaft, Finanzen und Haushalt in einer gemeinsamen Mitteilung.
Referenzen
- CJUE (3e ch.), 27 juin 2013 (affaire C 485/11) - Commission européenne c. République française soutenue par Royaume d’Espagne et Hongrie
- http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=9ea7d2dc30dbd81a7e7aef664e93a3fc8eefeefd5a81.e34KaxiLc3qMb40Rch0SaxuLbNb0?text=&docid=138863&pageIndex=0&doclang=fr&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=248856
- Europäischer Gerichtshof der Europäischen Union (3. Kammer), 27. Juni 2013 (Rechtssache C 485/11) - Europäische Kommission gegen die Französische Republik unterstützt vom Königreich Spanien und Ungarn
Verknüpfte Artikel
IRIS 2009-9:1/4 Europäische Kommission: Staatliche Beihilfen für France Télévisions
Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.