Frankreich
[FR] Wettbewerbsrat äußert sich zum Exklusivabkommen über das Catch-up TV
IRIS 2008-6:1/13
Amélie Blocman
Légipresse
Das Catch-up TV, im Rahmen dessen der Zuschauer bei Bedarf ein bereits ausgestrahltes Programm eines Fernsehsenders erneut ansehen kann, verzeichnet in den letzten Monaten einen deutlichen Anstieg. Das ursprünglich von Arte (mit Arte +7) gestartete Catch-up TV wurde im März 2008 zudem von M6 (M6 Replay) und Canal Plus (Canal Plus à la demande) übernommen und soll ab dem 26. Mai nach der Unterzeichnung eines Vertrags zwischen Orange (France Télécom) und France Télévisions auch für die Teilnehmer des Fernsehsenders Orange gelten, die dann (über ADSL-Anschluss) die Möglichkeit haben, 15 Tage lang exklusiv auf Wunsch die wichtigsten Programme von France Télévisions erneut abzurufen. Die für Anfang 2008 geplante Einführung dieses als Rewind TV bezeichneten Dienstes wurde allerdings aufgrund einer Klage vor dem Conseil de la concurrence (Wettbewerbsrat) der Association française des opérateurs de réseaux et de services de télécommunications (Vereinigung der Telekommunikationsdienste – AFORST), der insbesondere Neuf Cegetel, SFR, Bouygues Telecom und Telecom Italia-Alice angehören, verschoben. Mit der Argumentation, dass aufgrund des zwischen France Télécom und France Télévisions geschlossenen Exklusivvertrags die Internetprovider keinen Zugang zu diesen Inhalten hätten und zudem über keine attraktiven Alternativangebote verfügten, forderte die AFORST die vorsorgliche Aufhebung der strittigen Vereinbarung. Am 7. Mai 2008 wies der Wettbewerbsrat die Klage mit der Begründung ab, sie enthalte keine Elemente, aus denen hervorgehe, dass diese Vereinbarung wettbewerbswidrig sei. Der Rat vertrat insbesondere die Auffassung, die Exklusivität des Abkommens sei beschränkt (die Partnerschaft beziehe sich lediglich auf bestimmte Programme im Zeitfenster von 18.00 bis 24.00 Uhr und umfasse dabei weder Kinofilme noch Informations- und Sportsendungen, also keine sogenannten „Premium“-Programme) und auch die Vertragsdauer sei begrenzt (zwei Jahre nach dem tatsächlichen Start). Der Wettbewerbsrat hob zudem hervor, es gebe für alle Verbraucher – unabhängig davon, welchen Provider sie nutzten – Möglichkeiten, die besagten Programme im Catch-up TV auf der Internetseite von France Télévisions anzusehen; die Exklusivität bedeute für die Partnerschaft ein wirtschaftliches Gleichgewicht, das nicht nur den Vertragsparteien zugutekomme, sondern auch den Produzenten, die erstmalig eine Vergütung dafür erhielten, dass ihre Programme im Catch-up TV gezeigt würden. Der Rat urteilte zudem, dass die von der Exklusivität betroffenen Programme nicht unumgänglich seien; die konkurrierenden ADSL-Betreiber könnten ihre Angebote differenziert gestalten, indem sie ihren Kunden andere interaktive Dienste anböten (wie etwa Musikkataloge) oder Partnerschaften mit anderen Sendern eingingen oder sogar mit France Télévisions eine Vereinbarung schlössen mit dem Ziel, die nicht von der strittigen Partnerschaft betroffenen Programme im Catch-up TV zu zeigen. Der Wettbewerbsrat folgte damit der Stellungnahme des Conseil supérieur de l’audiovisuel (Rundfunkaufsichtsbehörde – CSA) vom 15. Januar 2008. Dieser hatte sich mit der Streitsache befasst und befunden, dass zum damaligen Zeitpunkt keine Voraussetzungen vorgelegen hätten, die vorsorgliche Maßnahmen rechtfertigten; gleichzeitig wies er jedoch darauf hin, dass langfristig die Entwicklung dieser Catch-up Dienste im Rahmen von Exklusivverträgen zwischen einem Sender und einem ADSL- oder einem Kabelbetreiber den Interessen der Konsumenten sowie der Entwicklung des Wettbewerbs auf dem Breitbandmarkt abträglich sein könnten. Aufgrund dieser Erwägungen betonte der Wettbewerbsrat, seine Ablehnung der Klage von AFORST, die zu einem Zeitpunkt gekommen sei, an dem der Markt noch im Begriff sei zu entstehen und die strittige Partnerschaft noch keine Anwendung gefunden habe, solle die Unternehmen in diesem Sektor nicht daran hindern, den Rat zu einem späteren Zeitpunkt erneut anzurufen, falls sich bei der Beobachtung des Markts in Zukunft neue Anhaltspunkte ergeben sollten. Die Angelegenheit ist also nicht abgeschlossen.
Referenzen
- Avis du Conseil supérieur de l’audiovisuel du 15 janvier 2008 au Conseil de la concurrence portant sur la demande de mesures conservatoires de l’AFORST concernant les pratiques mises en œuvre par les sociétés France Télécom et France Télévisions
- http://www.csa.fr/upload/dossier/avis_tvr_15_janvier_08_a.pdf
- Stellungnahme des CSA vom 15. Januar 2008 an den Wettbewerbsrat betreffend den Antrag von AFORST auf vorsorgliche Maßnahmen aufgrund von Praktiken der Gesellschaften France Télécom und France Télévisions
- Décision n° 08-D-10 du 7 mai 2008 relative à des pratiques mises en œuvre par les sociétés France Télécom et France Télévisions dans le secteur de la télévision de rattrapage
- http://www.conseil-concurrence.fr/pdf/avis/08d10.pdf
- Entscheid Nr. 08-D-10 vom 7. Mai 2008 betreffend die Praktiken der Gesellschaften France Télécom und France Télévisions im Bereich des Catch-up TV
Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.