Rat der Europäischen Union/Europäisches Parlament: Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste verabschiedet

IRIS 2008-1:1/3

Mara Rossini

Institut für Informationsrecht (IViR), Universität Amsterdam

Am 29. November 2007 billigte das Europäische Parlament ohne Änderungen den Gemeinsamen Standpunkt des Rats zur vorgeschlagenen neuen Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste ohne Grenzen. Mit dem am 15. Oktober 2007 verabschiedeten Gemeinsamen Standpunkt wurde ein Wortlaut offiziell, der während des gesamten legislativen Verfahrens Gegenstand interinstitutioneller Verhandlungen war: Die informellen Kontakte zwischen dem Parlament, der Kommission und dem Rat gipfelten in einem endgültigen Text, welcher ohne Änderungen vom Parlament gebilligt wurde.

Die Kommission hatte ursprünglich ein Regulierungswerk vorgeschlagen, das aus einem Kern an Vorschriften mit Gültigkeit für alle audiovisuellen Mediendienste und einem Zusatzpaket an Verpflichtungen mit ausschließlicher Gültigkeit für das Fernsehen bestand. Dieser Ansatz wurde als beste Alternative betrachtet, da es in Erwägung 42 der Richtlinie heißt: „Audiovisuelle Mediendienste auf Abruf unterscheiden sich von Fernsehprogrammen darin, welche Auswahl- und Steuerungsmöglichkeiten der Nutzer hat und welche Auswirkungen sie auf die Gesellschaft haben. Deshalb ist es gerechtfertigt, für audiovisuelle Mediendienste auf Abruf weniger strenge Vorschriften zu erlassen, sodass sie nur den Grundvorschriften dieser Richtlinie unterliegen sollten.“ Dieser Ansatz wurde auch beibehalten, wenngleich einige strukturelle Änderungen in den ursprünglichen Text eingebracht wurden (Erstellung neuer Kapitel und Umstellung bestimmter Artikel). Hinsichtlich weiterreichender Änderungen durch den Text des Rates erklärte die Kommission, der Text stehe im Einklang mit den Zielen der ursprünglichen und abgeänderten Vorschläge der Kommission. Folgende Punkte sind hervorzuheben:

- Die Richtlinie verdeutlicht den weiteren Wirkungsbereich der von der Kommission vorgeschlagenen Richtlinie: Wie der Rat darlegt, steht der Gedanke dahinter, dass die nunmehr mit einbezogenen Abruf-Dienste um dieselben Zuschauer wie Fernsehsendungen konkurrieren. Das Parlament hatte bereits in erster Lesung die Definition von „audiovisuellen Mediendiensten“ klargestellt und unterstrichen, dass darunter weder Dienste, bei denen die Lieferung von audiovisuellem Inhalt lediglich eine Nebenerscheinung und nicht der grundsätzliche Zweck ist, noch Presse in gedruckter oder elektronischer Form fallen. Die Richtlinie beginnt mit einer Liste von Begriffsbestimmungen. „Audiovisueller Mediendienst“ bedeutet „eine Dienstleistung im Sinne der Artikel 49 und 50 des Vertrags, für die ein Mediendiensteanbieter die redaktionelle Verantwortung trägt und deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 2002/21/EG ist. Bei diesen audiovisuellen Mediendiensten handelt es sich entweder um Fernsehprogramme gemäß der Definition unter Buchstabe e des vorliegenden Artikels oder um audiovisuelle Mediendienste auf Abruf gemäß der Definition unter Buchstabe g des vorliegenden Artikels; und/oder die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation”. Buchstabe e bzw. g besagen: Unter „Fernsehprogramm“ oder „Fernsehsendung“ (also einem lineareren audiovisuellen Mediendienst) ist ein audiovisueller Mediendienst zu verstehen, der von einem Mediendiensteanbieter für den zeitgleichen Empfang von Sendungen auf der Grundlage eines Sendeplans erstellt wird, und „audiovisueller Mediendienst auf Abruf“ (also ein nicht-linearer audiovisueller Mediendienst) bezeichnet einen audiovisuellen Mediendienst, der von einem Mediendiensteanbieter für den Empfang zu dem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt und auf dessen individuellen Abruf hin aus einem vom Mediendiensteanbieter festgelegten Programmkatalog bereitgestellt wird. Neben der Definition im Art. 1 lit. a findet sich in den Erwägungen 16 bis 23 eine Erklärung der Wesensmerkmale von audiovisuellen Mediendiensten. In den Erwägungen heißt es zum Beispiel, dass der Begriff der „Sendung“ gemäß der Definition in Art. 1 lit. b unter Berücksichtigung der Entwicklungen auf dem Gebiet des Fernsehens dynamisch auszulegen sei. In Erwägung 18 werden aus der Definition für „audiovisuelle Mediendienste“ alle Dienste ausgenommen, „deren Hauptzweck nicht die Bereitstellung von Programmen ist, bei denen also audiovisuelle Inhalte lediglich eine Nebenerscheinung darstellen und nicht Hauptzweck sind“. Damit werden Internetseiten, die lediglich zu Ergänzungszwecken audiovisuelle Elemente enthalten - animierte Grafiken, kurze Werbespots oder Informationen über ein Produkt oder nicht-audiovisuelle Dienste - genauso vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen wie Glücksspiele, Lotterien, Wetten und andere Gewinnspiele sowie Online-Spiele und Suchmaschinen.

- Die Rechtshoheit bleibt an den Sitz des Diensteanbieters geknüpft (Herkunftslandprinzip); ein neues Verfahren wird jedoch bei Fällen zur Anwendung kommen, in denen eine Fernsehsendung insgesamt oder überwiegend auf einen Mitgliedstaat gerichtet ist, der nicht Sitz des Rundfunkveranstalters ist (beispielsweise in Fällen, in denen strengere Vorschriften umgangen werden). Die Kommission zeigte sich zufrieden, dass die Regelungen zur Definition des Sitzes eines Mediendienstanbieters nicht geändert wurden, was ihrer Meinung nach eine Bestätigung des Rechts von Rundfunkveranstaltern bedeutet, ihre Dienste von einem Niederlassungsland ihrer Wahl aus auf dem Binnenmarkt anzubieten. In Bezug auf strengere nationale Regelungen entwickelt der Text der Richtlinie den von der Kommission vorgeschlagenen Mechanismus fort: Zuerst soll eine unverbindliche „Kooperationsphase“ stattfinden, während derer zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten nach gegenseitig annehmbaren Lösungen gesucht wird; es folgt eine zweite formale Phase, in der die Europäische Kommission die Vereinbarkeit der von einem Mitgliedstaat vorgeschlagenen Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht prüft. Sollte die Kommission sie für mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar halten, muss der betreffende Mitgliedstaat auf diese Maßnahmen verzichten (Art. 2a).

- Was kommerzielle Kommunikation anbelangt, so muss diese in erster Linie „als solche leicht erkennbar und vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein“ (Art. 3e lit. a). Das Diskriminierungsverbot in audiovisueller kommerzieller Kommunikation umfasst alle Kategorien von Diskriminierung, die in Art. 13 EG-Vertrag aufgelistet sind; dies war eine spezielle Forderung des Parlaments und findet in der Richtlinie gebührende Berücksichtigung (Art. 3e lit. c). Der Text beinhaltet einen Kern an „qualitativen“ Regelungen, die für alle audiovisuellen Dienste gelten, während „quantitative“ Regelungen lediglich auf Fernsehsendungen anzuwenden sind. Die Mitgliedstaaten und die Kommission werden aufgefordert, die Erarbeitung von Verhaltenskodizes für an Kinder gerichtete „Junk Food“-Werbung zu fördern; auch sind die mengenmäßigen Regelungen für Werbeunterbrechung bei Kindersendungen strenger.

- Es gilt ein generelles Verbot für Produktplatzierung, Ausnahmen sind jedoch für bestimmte Arten von Sendungen (Filme, Serien, Sport und leichte Unterhaltung) unter bestimmten Bedingungen möglich (Art. 3g). Diese Ausnahmen gelten automatisch, wenn ein Mitgliedstaat sich nicht ausdrücklich dagegen entscheidet. Angefügt wurden das Erfordernis, Produktplatzierung kenntlich zu machen, sobald eine Sendung nach einer Werbepause fortgesetzt wird, und der Sonderfall der „Themenplatzierung“ wurden dessen ungeachtet in Erwägung 63 angesprochen.

- Die Kommission schlug eine Bestimmung vor, die eine diskriminierungsfreie Anwendung nationaler Systeme sicherstellen sollte, die darauf abzielen, Rundfunkveranstaltern zum Zweck nachrichtlicher Kurzberichterstattung den Zugang zu Ereignissen von großem öffentlichem Interesse zu garantieren. Die Richtlinie sieht hingegen eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, ein solches System einzurichten, und schafft damit ein gemeinschaftsweites Recht. Die Grundzüge dieses Rechts werden im Richtlinientext harmonisiert, wohingegen die Modalitäten und Bedingungen seiner Anwendung der Entscheidung der Mitgliedstaaten überlassen bleiben (Art. 3k).

- Die Rolle von Regulierungsbehörden wird in einem neuen Artikel betrachtet, der sich mit Zusammenarbeit und Informationsaustausch befasst (Art. 23b). Ein Hinweis auf die Unabhängigkeit solcher Behörden von nationalen Regierungen wie auch von Betreibern findet sich in einer Erwägung.

- Die Richtlinie sieht eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, Diensteanbieter darin zu bestärken, dass sie ihre Dienste schrittweise Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen zugänglich machen (Art. 3c).

Die Stellungnahme des Europäischen Parlaments wurde dem Rat und der Kommission zugestellt, und die Richtlinie wurde am 11. Dezember 2007 erlassen. Die Mitgliedsstaaten haben nun 24 Monate, um sie in nationales Recht umzusetzen.


Referenzen

  • Directive 2007/65/EC of the European Parliament and of the Council of 11 December 2007 amending Council Directive 89/552/EEC on the coordination of certain provisions laid down by law, regulation or administrative action in Member States concerning the pursuit of television broadcasting activities, Official Journal of the European Union L 332/27, 18 December 2007
  • http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/en/oj/2007/l_332/l_33220071218en00270045.pdf
  • Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit, Amtsblatt der Europäischen Union L 332/27 vom 18. Dezember 2007
  • http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/oj/2007/l_332/l_33220071218de00270045.pdf

Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.