Ministerkomitee: Erklärung zur Kommunikationsfreiheit im Internet

IRIS 2003-7:1/3

Páll Thórhallsson

Gesetzgebungsabteilung, Büro des Premierministers, Universität Island und Reykjavik für Medienrecht

Am 28. Mai 2003 verabschiedete das Ministerkomitee des Europarats eine Erklärung zur Kommunikationsfreiheit im Internet. Das Ziel der Erklärung besteht darin, die Bedeutung der Meinungsfreiheit und des freien Informationsflusses im Internet zu bekräftigen. Wie schon in der Präambel formuliert, ist das Ministerkomitee besorgt angesichts der Versuche, den öffentlichen Zugang zu Kommunikation über das Internet aus politischen Gründen oder sonstigen, den demokratischen Grundsätzen widersprechenden Erwägungen zu beschränken.

In der Erklärung wird dargelegt, dass Internet-Inhalte keinen Beschränkungen unterliegen sollten, die über solche hinausgehen, die auf andere Mittel zur Inhalteübertragung angewendet werden. Wenn auch die Frage unbeantwortet bleibt, ob Rundfunkstandards, Standards für Druckerzeugnisse oder andere Standards auf Inhalte im Internet anzuwenden sind, so stellt diese Erklärung doch ein eindeutiges Signal an die Staaten dar, keine neuen Beschränkungen für diese neue Plattform der Inhalteübertragung einzuführen. Es wird darüber hinaus unterstrichen, dass die Mitgliedsstaaten Selbst­ oder Koregulierung in Bezug auf Internet-Inhalte fördern sollten, da dies die am besten geeigneten Regulierungsformen für die neuen Dienste seien. Die Erklärung unterstreicht die einzigartigen Möglichkeiten, die das Internet für interaktive Kommunikation bietet und betont, dass Hürden für die Beteiligung von Einzelnen an der Informationsgesellschaft abgebaut werden und das Erstellen und Betreiben von persönlichen Webseiten keiner Genehmigung oder sonstigen Anforderungen ähnlicher Wirkung unterliegen sollten. Wenn auch kein Recht auf Anonymität gefordert wird, so besagt die Erklärung doch, dass der Wunsch der Internet-Benutzer, ihre Identität nicht preiszugeben, geachtet werden sollte, mit Einschränkungen, die es den Strafverfolgungsbehörden ermöglichen, kriminelle Aktivitäten zu verfolgen.

Der interessanteste Teil der Erklärung dürfte in Grundsatz 3 zu finden sein, der sich damit befasst, wann und unter welchen Umständen öffentliche Behörden berechtigt sind, den Zugang zu Internet-Inhalten zu blockieren. Obwohl Zensur im Sinne einer administrativen Vorabkontrolle von Publikationen in allen Mitgliedsstaaten abgeschafft wurde, ermöglichen neue technologische Möglichkeiten neue Formen von präventiven Einschränkungen. Es gibt Beispiele, hauptsächlich außerhalb Europas, bei denen staatliche Behörden grobe Filtermethoden anwenden, um das Internet zu zensieren.

Die Erklärung stellt an erster Stelle fest, dass staatliche Behörden keine „generellen Blockier- oder Filtermaßnahmen" einsetzen sollten, um den öffentlichen Zugang zu Informationen und sonstiger Kommunikation im Internet ungeachtet von Grenzen zu verwehren. Unter „generellen Maßnahmen" sind nach der Erklärung grobe Filtermethoden zu verstehen, die keinen Unterschied zwischen illegalen und legalen Inhalten machen. Dieser Grundsatz, der sehr weit gefasst ist, hindert Mitgliedsstaaten nicht daran zu verlangen, dass an Orten, die für Minderjährige zugänglich sind, wie Bibliotheken und Schulen, Filtersoftware installiert wird.

Gemäß der Erklärung haben die Mitgliedsstaaten nach wie vor die Möglichkeit, den Zugang zu Internet-Inhalten zu blockieren oder eine solche Blockierung zu verlangen. Dazu muss jedoch eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein: a) der Inhalt muss eindeutig zu identifizieren sein, b) ein Beschluss zur Illegalität des Inhalts muss von der zuständigen nationalen Behörde ergangen sein und c) die Schutzmaßnahmen aus Artikel 10, Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention müssen beachtet werden, d. h. eine Beschränkung muss gesetzlich vorgesehen sein, einem rechtmäßigen Zweck dienen und in einer demokratischen Gesellschaft unentbehrlich sein.

In der Erläuterung zur Erklärung ist dargelegt, dass der Grundsatz 3 insbesondere auf Situationen ausgerichtet ist, in denen staatliche Behörden den Zugang von Personen zu bestimmten ausländischen (oder inländischen) Webseiten aus politischen Gründen blockieren. Gleichzeitig umreißt er die Umstände, unter denen im Allgemeinen die Blockierung von Inhalten als hinnehmbar betrachtet werden kann, eine Frage, die für alle Mitgliedsstaaten von Relevanz ist oder sein wird.

Grundsatz 6 zur beschränkten Haftung von Service-Providern verdient ebenso besondere Beachtung. Entsprechend der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr wird festgestellt, dass Service-Provider keiner generellen Verpflichtung zur Überwachung der Internet-Inhalte, die sie zugänglich machen, übertragen oder speichern, unterliegen sollten. Sie können jedoch gesamtschuldnerisch für Inhalte, die sie auf ihren Servern speichern, haftbar gemacht werden, wenn sie von deren illegalem Charakter erfahren und nicht umgehend Maßnahmen ergreifen, um den Zugang dazu zu unterbinden. Dies entspricht voll und ganz der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr. Die Erklärung geht allerdings einen Schritt weiter, indem sie bei der Festlegung der Pflichten von Service-Providern, die Inhalte vorhalten, nach nationalem Recht betont, dass „eine gebührende Achtung vor der Meinungsfreiheit derer, die die Informationen ursprünglich zugänglich gemacht haben sowie vor den entsprechenden Rechten der Nutzer auf diese Informationen gewährleistet werden muss." Die hier angesprochenen Fragen werden derzeit ausführlich debattiert, zum Beispiel im Zusammenhang mit herabsetzenden Äußerungen im Internet. Die Erläuterung unterstreicht, dass Fragen „nach der Illegalität bestimmter Materialien oftmals kompliziert sind und am besten von den Gerichten entschieden werden. Wenn Service-Provider Inhalte zu schnell entfernen, nachdem eine Beschwerde eingegangen ist, kann dies im Hinblick auf die Meinungs- und Informationsfreiheit gefährlich sein. Absolut legitime Inhalte könnten somit aus Angst vor gesetzlicher Haftung unterdrückt werden."


Referenzen

  • Declaration on freedom of communication on the Internet, adopted by the Committee of Ministers on 28 May 2003 at the 840th meeting of the Ministers' Deputies
  • http://www.coe.int/media
  • Erklärung zur Kommunikationsfreiheit im Internet, verabschiedet vom Ministerkomitee am 28. Mai 2003 auf der 840. Sitzung der Ministerdelegierten

Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.