Frankreich

[FR] Der Dokumentarfilm des Influencers Inoxtag verstößt gegen die französischen Regeln zu Verwertungsfenstern

IRIS 2024-9:1/3

Eric Munch

Europäische Audiovisuelle Informationsstelle

Am 13. September 2024 veröffentlichte der französische Influencer Inoxtag eine Dokumentation über seine Besteigung des Mount Everest. „Kaizen“ wurde in 500 Kinos aufgeführt und erreichte am Abend der Veröffentlichung 300.000 Zuschauer.

Einen Tag später, am 14. September 2024, wurde der Film auf YouTube veröffentlicht, was unter Medienexperten für Aufsehen sorgte, da viele der Meinung waren, dass diese frühe Veröffentlichung auf YouTube gegen die Regeln für Verwertungsfenster verstieß. Am 8. Oktober 2024 wurde der Film dann auf TF1 ausgestrahlt.

Die nationalen Vorschriften für die Vorführung von Filmen erlauben es normalerweise nicht, dass ein Dokumentarfilm, der speziell für die Veröffentlichung auf YouTube bestimmt ist, in den Kinos gezeigt wird. Seit 2022 sieht der Code du cinéma et de l'image animée (Kinogesetz) jedoch eine Ausnahme vor. Es besteht die Möglichkeit, beim Centre National du Cinéma (nationales Filmzentrum – CNC) eine Ausnahmegenehmigung für 500 Vorführungen an maximal zwei Tagen innerhalb einer Woche zu beantragen.

Die französische Zeitung Les Échos berichtet jedoch, dass Kaizen 800 Mal gezeigt wurde. Der Verleiher MK2 gab an, ursprünglich nicht die Absicht gehabt zu haben, mehr als 350 Vorführungen durchzuführen. Aufgrund der hohen Nachfrage sollen einige Kinos neue Vorführungen angesetzt haben, ohne sich mit dem Verleih abzusprechen.

Das Kinogesetz sieht in diesem Fall zwei Arten von Sanktionen vor. Bei mehr als 500 Vorführungen wird davon ausgegangen, dass der Film eine reguläre Vorführungsfreigabe (visa d'exploitation normal)  hätte beantragen müssen und nicht eine Ausnahmegenehmigung. Artikel L. 432-1 des Kinogesetzes sieht eine Geldstrafe von EUR 45.000 für die Verwertung von Kinofilmen ohne Vorführgsfreigabe oder unter Verstoß gegen die Bedingungen der Vorführungsfreigabe vor. Gemäß Artikel 421-1, 14°, können bei Verstößen gegen die Vorführbedingungen auch Verwaltungsstrafen verhängt werden. Da der Rechteinhaber die Verwertungsrechte an YouTube und TF1 verkauft hat, sind im vorliegenden Fall Verwaltungsstrafen möglich.

Mehrere Beobachter und Fachmedien haben die Situation als Beweis dafür bezeichnet, dass die Vorschriften für Verwertungsfenster in Frankreich veraltet sind. Für viele zeigt der Fall Kaizen, dass für Plattformen gedachte Werke auch Zuschauer in Kinos und im Fernsehen anziehen können. Écran Noir, das älteste französische Online-Magazin zum Thema Kino, sieht den Fall Kaizen als weiteren Beweis dafür, dass die Regeln geändert werden sollten, und führt als Beispiele mehrere Netflix-Filme an (Alfonso Cuarons Roma, Paolo Sorrentinos The Hand of God und Jane Campions The Power of the Dog), die nach Ansicht der Medien einen Kinostart verdient hätten und wohl erhebliche Einnahmen hätten erzielen können.

Andere Akteure, wie die Association du cinema independent pour sa diffusion (ACID), beklagen, dass Kaizen durch den Verstoß gegen die Vorführregeln zu einem System beigetragen hat, das sich auf kurzlebige und lukrative Trends konzentriert, zum Nachteil der Arbeit der übrigen französischen Kinobranche.


Referenzen





Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.