Niederlande
[NL] Interview eines öffentlich-rechtlichen Senders mit Verwendung falscher Angaben stellt schweren Verstoß gegen journalistische Standards dar
IRIS 2024-8:1/12
Ronan Ó Fathaigh
Institut für Informationsrecht (IViR)
Am 12. Juli 2024 traf der Ombudsmann der niederländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkstiftung (Stichting Nederlandse Publieke Omroep) eine wichtige Entscheidung zu einem kürzlich geführten umstrittenen Interview des öffentlich-rechtlichen Senders PowNed. Der Ombudsmann befand vor allem, das Interview habe gegen den journalistischen Verhaltenskodex verstoßen und könnte „das Vertrauen in den Journalismus im Allgemeinen und in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Besonderen beschädigen“. Der Fall löste eine heftige öffentliche Debatte aus, und der Sender räumte ein, dass es sich um einen „geschmacklosen Beitrag“ handele, der „völlig respektlos gegenüber Frauen im Allgemeinen“ sei. Gleichzeitig verlautbarte auch die niederländische Medienbehörde, dass das Interview „nicht den hohen journalistischen und professionellen Qualitätsanforderungen entspricht, die von einem landesweiten öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter erwartet werden dürfen“.
In dem Fall geht es um einen Reporter des niederländischen öffentlich-rechtlichen Senders PowNed, der mehrere junge Frauen interviewen wollte, die ein Konzert der bekannten Musikerin Taylor Swift in Amsterdam besuchten. Der Reporter wollte herausfinden, „wie weit Swifts Fans für ein Treffen mit der Künstlerin gehen würden“, und interviewte eine Reihe von Frauen, wobei er ihnen fälschlicherweise versprach, er könne ein Treffen mit Swift arrangieren. Der Reporter fragte die Frauen: „Wie weit würdet ihr gehen, was ist das Verrückteste, was ihr tun würdet, jetzt vor der Kamera, um zu einem Meet-and-Greet mit Taylor zu gehen?“ Daraufhin küsste eine junge Frau mit „Ermunterung“ des Reporters einen unbekannten Fan, eine andere zeigte ihre nackten Brüste vor der Kamera. Der Reporter enthüllte dann, dass das Versprechen des Treffens eine Lüge war, woraufhin eine der Frauen darum bat, das Video nicht zu veröffentlichen. PowNed veröffentlichte dennoch die Interviews, in denen die Gesichter der Frauen zu erkennen waren, auf der Website und dem YouTube-Kanal des Senders unter der Überschrift „Kreischende Mädels werden zu Schlampen für Taylor Swift“.
Nach der Veröffentlichung des Videoberichts brach in den Medien ein „Sturm der Kritik“ los, und beim Ombudsmann gingen Hunderte von Beschwerden ein. Der Ombudsmann ist eine unabhängige und unparteiische Instanz, die Beschwerden der Öffentlichkeit über journalistische Praktiken und Produkte niederländischer öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter gemäß dem niederländischen journalistischen Verhaltenskodex prüfen und untersuchen kann. In den Beschwerden wurde unter anderem darauf verwiesen, dass PowNed „junge Frauen angelogen hat, um sie dazu zu bringen, ihre Brüste filmen zu lassen“, die Frauen als „Schlampen“ verunglimpft habe, „sexistisch, abfällig und geschmacklos“ sei und den Frauen in dem Bericht absichtlich geschadet habe.
In seiner Entscheidung erklärte der Ombudsmann, dass Sender nach dem journalistischen Verhaltenskodex frei in dem seien, was sie produzieren, und dass die redaktionelle Freiheit den Journalisten die Freiheit gebe zu entscheiden, worüber sie berichten und in welcher Form. Gegen den journalistischen Verhaltenskodex werde jedoch verstoßen, wenn der Reporter „den Interviewten etwas sagt, das nicht wahr ist“; gemäß dem Kodex müssen Reporter zudem „potenziellen Interviewpartnern ihre Identität offenbaren und ihnen ihre Absichten und die Art der Veröffentlichung klar kommunizieren“. In Bezug auf das PowNed-Interview stellte der Ombudsmann fest, dass es sich „eindeutig um einen Fall von Täuschung“ gehandelt habe und der Reporter „nicht ehrlich darüber war, was er tat“, was einen Verstoß gegen den Kodex darstelle. Darüber hinaus sei im Fall der Frau, die ihre Brüste gezeigt habe, „auch eine ethische Grenze überschritten“ worden. Sie sei nicht nur „belogen“, sondern, nachdem sie dies realisiert habe, sei das Video veröffentlicht worden, anstatt es zu löschen, und ihr Gesicht sei nicht unscharf oder auf andere Weise unkenntlich gemacht worden - auch dies ein Verstoß gegen den Kodex. Die Verwendung des Wortes „Schlampen“ in der Überschrift auf der Website des Senders zeige ebenfalls „wenig Respekt für Frauen im Allgemeinen und die Frauen in diesem Video im Besonderen“.
Schließlich akzeptierte der Sender die Entscheidung des Ombudsmanns und gab eine Erklärung ab, in der er einräumte, dass „in der Produktionskette des fraglichen Videos viele Fehler gemacht wurden. Das hätte nie passieren dürfen und hat nichts mit Journalismus zu tun. Es war nicht nur ein geschmackloser Beitrag, sondern, was noch schlimmer ist, eine völlige Respektlosigkeit gegenüber Frauen im Allgemeinen.“
Referenzen
- Ombudsman Nederlandse Publieke Omroep, PowNed, 12 juli 2024
- https://omroepombudsman.nl/uitspraken-en-columns/swifties-misleid-in-respectloze-video
- Ombudsmann der öffentlich-rechtlichen Rundfunkstiftung, PowNed, 12. Juli 2024
Dieser Artikel wurde in IRIS Rechtliche Rundschau der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle veröffentlicht.